Ein Mann aus Gambia soll in Dutzenden Fällen Marihuana vor allem an Minderjährige verkauft haben. Dafür hat ihn das Landgericht nun verurteilt.

Bietigheim-Bissingen - Die entscheidende Frage stellt der Vorsitzende Richter Frank Haberzettl am Montag schon kurz nach Beginn der Verhandlung am Heilbronner Landgericht: „Stimmt das, was der Staatsanwalt da vorgelesen hat?“, fragt er einen 23-jährigen Angeklagten. „Nein“. Haberzettl schaut den Mann an – und unterbricht die Sitzung. Als alle Beteiligten wieder Platz genommen haben, fragt er noch einmal. Und der Mann legt über seinen Anwalt ein umfassendes Geständnis ab.

 

Was in der Zwischenzeit passiert ist, lässt sich relativ leicht erklären: Die Kammer hat dem 23-Jährigen aus Gambia und seinem Pflichtverteidiger ein Angebot gemacht. Gefragt, ob man nicht eine Verständigung erzielen könne. Haberzettls Vorschlag: Der Mann gibt zu, in mehr als 200 Fällen in einer Asylbewerberunterkunft in Bietigheim-Bissingen Marihuana verkauft zu haben und erspart damit den überwiegend minderjährigen „Kunden“ einen Auftritt im Zeugenstand. Im Gegenzug sichert die Kammer dem Angeklagten eine bestimmte Strafe zu: Nicht länger als drei Jahre und neun Monate Gefängnis. So kommt es dann auch.

Ursprünglich hatte das Landgericht für den Prozess gegen den Mann fünf Verhandlungstage angesetzt, 16 Zeugen und einen Sachverständigen geladen. Der Vorwurf: der Mann soll bis zu seiner Verhaftung im Februar dieses Jahres einen „schwunghaften Handel“ mit Marihuana betrieben haben. 206 einzelne Verbrechen haben die Ermittler aufgelistet. In allen Fällen verkaufte der Mann kleinste Mengen der Droge, bei rund 160 Gelegenheiten davon an junge Männer unter 18 Jahren. Einem 16-Jährigen soll er beispielsweise mehr als 50 Mal jeweils ein Gramm Marihuana überlassen haben, für zehn Euro pro Lieferung. Ein 15-Jähriger kam laut Staatsanwaltschaft zwei- bis dreimal wöchentlich in die Unterkunft in der Carl-Benz-Straße, um dort Drogen zu kaufen.

Der Mann soll in einer Therapieeinrichtung untergebracht werden

Wenige Male machte der Angeklagte auch mit Erwachsenen Geschäfte – und geriet dabei prompt an eine verdeckte Ermittlerin der Kriminalpolizei. Dadurch flog der Handel in der Unterkunft in Bietigheim-Bissingen auf. Glaubt man dem zuständigen Sachbearbeiter der Polizei, war dort ein noch weitaus größerer Handel im Gange gewesen. Doch in vielen Fällen gebe es keine gesicherten Erkenntnisse, sagte der Ermittler. Er betonte aber auch, dass der Mann keinen der Minderjährigen zum Drogenkonsum verführt habe. Die meisten Kunden seien bereits vorher einschlägig bekannt gewesen.

Durch die Verständigung konnte die Kammer um den Vorsitzenden Haberzettl schon kurz nach dem Auftakt am Montag urteilen. Der Angeklagte legte sein Geständnis auch unter dem Eindruck ab, dass alle Zeugen ihn bei der Polizei zweifelsfrei identifiziert hatten. Die Last der Indizien war also erdrückend.

Insgesamt drei Jahre und sechs Monate muss der Angeklagte nun in Haft. Dabei soll der Mann, der weder Lesen noch Schreiben kann, ab dem Herbst in einer Therapieeinrichtung untergebracht werden, in der seine eigene Marihuana-Sucht behandelt wird. Zuvor soll er die Zeit im Gefängnis nutzen, um Deutsch zu lernen.