Laut der Staatsanwaltschaft hat ein 66-jähriger Geschäftsführer einer Waiblinger Hausverwaltungsgesellschaft Wohnungseigentümer um 1,7 Millionen gebracht, indem er das Geld veruntreute. Vor Gericht hat er das am Montag eingestanden.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Die Zuhörerreihen im Saal 4 des Stuttgarter Landgerichts sind besser belegt als bei den meisten anderen Prozessen. Viele Betroffene sind gekommen, um der Verhandlung gegen einen 66-jährigen Hausverwalter aus Waiblingen beizuwohnen, der sie um viel Geld geprellt hat. Beträge zwischen 17 000 und 400 000 Euro werden genannt, die 73 Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) aus der ganzen Region Stuttgart deshalb verloren haben. „Auf unserem Konto sollten 70 000 Euro sein, es waren dann aber nur noch 500“, sagt einer der Betroffenen.

 

Fehlbeträge von Konten durch Umbuchungen „ausgeglichen“

Untreue und Urkundenfälschung wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor, der zusammen mit seinem 36-jährigen Sohn seit Montag vor Gericht steht. Dieser war als Geschäftsführer einer Abdichtungsfirma, die ebenfalls Eigentum des Angeklagten war, in das Treiben des Vaters involviert gewesen. Allerdings habe er nur gemacht, was er, der Vater, ihm gesagt habe, nimmt der 66-Jährige den Sohn in Schutz. „Ich bin in allen Punkten schuldig“, sagt der Angeklagte, zumindest für die Taten zwischen 2008 und 2012, die in der Anklage aufgeführt sind. Es seien jedoch noch viel mehr, sagen Betroffene unter den Zuschauern, die Belege dafür bereits aus den Jahren 2003 vorzeigen.

Ausschließen könne er das nicht, gibt der Angeklagte auf das bohrende Nachfragen des Vorsitzenden Richters Frank Maurer zu. Diesem hat er zuvor berichtet, die Misere habe begonnen, als er im Jahr 2002 wegen einer Gesetzesänderung einen Handwerksmeister für die Abdichtungsfirma habe einstellen müssen. Dieser habe mit kriminellen Machenschaften einen Schaden von einer halben Million angerichtet. „Er hat Material bestellt und dann beiseitegeschafft. Eigentlich hätte ich damals für die Firma Insolvenz beantragen müssen, aber da hat mein Helfersyndrom durchgeschlagen“, sagt der 66-Jährige, was in den Zuhörerreihen mit sarkastischen Bemerkungen und gequältem Lachen quittiert wird.

Er habe seinem Sohn, den er in der Firma zum Geschäftsführer bestellt hatte, nicht nach nur zwei Jahren kündigen wollen. „Es wäre schwer für ihn geworden, wieder eine Stelle zu finden.“ Angesichts der Schulden der Firma, die unter anderem Flachdächer abdichtete, sei er schließlich auf die Idee gekommen, von den gut gefüllten Konten der WEG das notwendige Geld zu „leihen“ – in der Hoffnung, es später zurückzahlen zu können. Um die Fehlbeträge auf den WEG-Konten zu kaschieren, verschob er Geld von anderen Konten oder fälschte Auszüge.

So entstand über die Jahre ein gewaltiges Schneeballsystem, über das der 66-Jährige nach eigenen Angaben den Überblick verlor. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft geht von einem Gesamtschaden von 1,7 Millionen Euro aus. Wie Betroffene am Rande des Prozesses berichteten, seien die WEG seit Jahren damit beschäftigt, Forderungen gegeneinander aufzurechnen, die durch das Treiben des Angeklagten entstanden seien. Manche Wohnungseigentümer wurden an den Rand des Ruins gebracht, da sie Fehlbeträge in den Rücklagen ausgleichen mussten. „Ich habe 14 000 Euro verloren. Das war meine Altersabsicherung“, sagt eine Frau, deren WEG einen Fehlbetrag von 382 000 Euro ausgleichen musste.

Der Angeklagte behauptet, nichts mehr zu besitzen

Das Geld sei komplett in die andere Firma geflossen, behauptet der Angeklagte, der nun nach seinen Angaben von einer Altersrente von 380 Euro lebt, zusammen mit seiner schwer kranken Frau in einem uralten Haus, das dieser gehöre. Er selbst habe nichts abgezweigt. „Ich hatte ja mein Gehalt von der Hausverwaltung.“ Diese hatte er 1974 von den früheren Eigentümern übernommen. Bis zum Kauf der zweiten Firma sei er völlig unbescholten gewesen, fügt er hinzu.

Auch von 324 000 Euro, die mit Barschecks von den WEG-Konten ausbezahlt wurden, habe er nichts genommen. Damit habe er unter anderem Arbeiter aus Mazedonien in bar bezahlt. „Das ist bei denen noch üblich“, behauptet er. Er selbst habe nichts mehr. „Auch keine Häuser in Winnenden oder eine Beteiligung an einer Farm in Südafrika, wie immer wieder behauptet wird.“

Der Prozess wird am 30. September fortgesetzt. Bis zum 7. Oktober soll die Beweisaufnahme abgeschlossen sein, hofft der Vorsitzende Richter.