Zunächst war einem Angeklagten vorgeworfen worden, die Flüchtlingsunterkunft versehentlich in Brand gesetzt zu haben. Doch eine Zeugin sagte aus, dass der Bewohner das Gebäude absichtlich angezündet haben soll. Nun muss sich der Angeklagte wegen vorsätzlicher Brandstiftung verantworten. Es steht sogar eine Verurteilung wegen versuchten Mordes im Raum.

Stuttgart - Der Brand in einer Asylunterkunft hat im Sommer 2012 die Stuttgarter erschüttert. Zehn von 33 Bewohnern der Unterkunft in Heumaden wurden dabei schwer verletzt, darunter auch ein vermeintlicher „Held“: Gleich mehreren Mitbewohnern soll der heute 44-jährige Mann das Leben gerettet haben, hatte eine Boulevardzeitung wenige Tage danach geschrieben. Dazu veröffentlichte sie ein Foto, das den bandagierten Mann im Krankenbett zeigte. Doch der Fall nahm so manche Wendung. Seit Montag steht der „Retter“ vor dem Landgericht Stuttgart. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet inzwischen vorsätzliche Brandstiftung. Es steht sogar eine Verurteilung wegen versuchten Mordes im Raum.

 

Der Fall wurde vom Amts- ans Landgericht verwiesen

Der Fall war schon vor dem Amtsgericht Stuttgart verhandelt worden. Dort lautete der Vorwurf noch fahrlässige Brandstiftung. Doch die Richterin verwies den Fall ans Landgericht. Grund war, dass sich während des ersten Prozesses Indizien ergeben hatten, dass der Mann den Brand absichtlich mit einer Kerze gelegt haben könnte, weil er nicht mehr in der Asylunterkunft in Heumaden habe leben wollen.

Am Landgericht machte der Vorsitzende Richter Wolfgang Hahn am Montag deutlich: Wenn es sich um eine vorsätzliche Brandstiftung handeln sollte, sei eventuell von versuchtem Mord aus Heimtücke auszugehen und nicht von einem versuchten Totschlag in 33 Fällen, ferner unter anderem von gefährlicher Körperverletzung in neun Fällen und schwerer Brandstiftung.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten zunächst nur vorgeworfen, das Feuer am 25. August 2012 gegen 5 Uhr fahrlässig verursacht zu haben, weil er mit einer brennenden Zigarette im Bett eingeschlafen sei. Von seinem Zimmer aus hätten sich die Flammen ausgebreitet.

Dramatische Szenen in dem Gebäude

In der Unterkunft spielten sich dramatische Szenen ab, weil den Bewohnern in den oberen Geschossen der Fluchtweg abgeschnitten war. Ein Mann wurde schwer verletzt, als er aus Angst vor dem Feuer aus dem zweiten Stock sprang. Eine Schwangere seilte sich aus einem Fenster ab. Der Angeklagte selbst und neun Mitbewohner erlitten Rauchvergiftungen, Brandwunden und Knochenbrüche.

Das Gebäude wurde durch den Brand so stark beschädigt, dass es abgerissen und neu errichtet werden musste. Das Nachbarhaus nahm durch das Löschwasser ebenfalls erheblichen Schaden. Der Stadt entstanden Kosten von rund einer Million Euro. Weitere 100 000 Euro waren nötig, um die Bewohner vorübergehend in anderen Quartieren unterzubringen.

Wichtige Zeugin hat Angeklagten schwer belastet

Letztlich war es die Aussage einer Zeugin, die die Richterin am Amtsgericht aufgerüttelt hatte und an der Fahrlässigkeit des Angeklagten zweifeln ließ. Die damals 34 Jahre alte Bekannte des Mannes hatte berichtet, dass er ihr gegenüber angedeutet habe, den Brand absichtlich gelegt zu haben. Er sei frustriert gewesen, weil er immer noch mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Baby in der Flüchtlingsunterkunft habe wohnen müssen, sagte die Zeugin damals aus. Der Angeklagte habe gemeint, dass er sich in der Einrichtung gefühlt habe „wie ein toter Mensch“. Nach der Tat habe er sogar geprahlt, er werde aus der Sache herauskommen, wie ein „Haar, das man aus dem Teig zieht“. Seine Lebensgefährtin und das Kind habe der Mann möglicherweise vor der Tat in Sicherheit gebracht, heißt es am Landgericht.

Der Angeklagte, der auf freiem Fuß ist, hatte zunächst angegeben, der Brand sei im Flur ausgebrochen. Dem widersprach jedoch das Ergebnis eines Gutachtens. Am Montag äußerte sich der 44-Jährige nicht – weder zu den Tatvorwürfen, noch zu seiner Person. Auch seine Lebensgefährtin schwieg im Zeugenstand. Wie schon vor dem Amtsgericht gab sie an, mit dem 44-Jährigen verlobt zu sein. Daher musste die Frau nicht aussagen. Allerdings meinte sie sich auf mehrfache Nachfrage des Vorsitzenden Richters weder an das Jahr ihrer Verlobung noch an Details erinnern zu können.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Am frühen Nachmittag soll voraussichtlich die Zeugin gehört werden, die vor dem Amtsgericht die Wendung brachte. Zunächst sind vier weitere Termine bis zum 9. November angesetzt.