Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Durch den Fall Mollath sieht der NRV-Chef Bader „die Praxis der Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern grundlegend infrage gestellt“. Nicht nur in Bayern genüge diese oft nicht rechtsstaatlichen Erfordernissen. Da die Vorschrift nicht auf bestimmte Delikte begrenzt sei, gebe es auch im Südwesten zeitlich unbegrenzte Unterbringungen etwa wegen Beleidigung, Nötigung oder einfacher Körperverletzung – Delikten also, die im Allgemeinen nur mit Geldstrafen geahndet würden. Zudem übersteige die Dauer der Unterbringung nicht selten die Dauer einer Freiheitsstrafe, die ein gesunder Täter selbst bei Wiederholungsgefahr verbüßen müsste, teilweise sogar um ein Mehrfaches.

 

Auch bei der notwendigen Diagnose einer psychischen Störung gibt es laut Bader zweifelhafte Praktiken. Es seien Fälle bekannt, in denen die Diagnose nur auf der Beobachtung des Angeklagten im Prozess und auf früher gestellte Diagnosen beruhe, die jedoch vom Gericht nicht überprüft worden seien. An das Justizministerium appelliert die Neue Richtervereinigung, dass es „nicht eine vergleichbare defensive Rolle übernimmt, wie dies in Bayern bedauerlicherweise der Fall war und ist“.

Anwalt sieht Handlungsbedarf

Unterstützt wird der Verband von dem Mannheimer Anwalt Günter Urbanczyk, der wiederholt in solchen Fällen tätig ist. „Handlungsbedarf“ sieht Urbanczyk etwa bei der Dauer der Unterbringung: Da für die Betroffenen „kein Ende abzusehen ist“, führe dies „mitunter zu völliger Hoffnungslosigkeit“. Selbst zu lebenslänglicher Haft Verurteilte könnten darauf hoffen, nach 15 Jahren freizukommen. Zweifel hat der Anwalt auch an der jährlichen Überprüfung: Diese sei „stark ritualisiert“ und von dem Bemühen der Gerichte geprägt, „nicht den Schwarzen Peter“ zu bekommen. „Fast der größte Missstand“ ist für ihn, dass die Unterbringung nicht nach Delikten differenziert geregelt ist. Als Beispiel für Missstände nannte Urbanczyk den Fall eines Untergebrachten, der nach einem Dreivierteljahr noch „keine spezifische Therapiestunde“ bekommen habe; hier finde offensichtlich nur eine „Verwahrung“ statt.

Justizminister Stickelberger sieht „derzeit“ keinen Grund, eine Initiative zur Reform des Paragrafen 63 zu starten. Weder die noch nicht konkret benannten Fälle im Schreiben der NRV noch der Fall Mollath gäbe Anlass dazu. Letzterer sei in Stuttgart nicht in Details bekannt und werde von der bayerischen Justiz aufgearbeitet.

Zweifelhafte Praktiken

Durch den Fall Mollath sieht der NRV-Chef Bader „die Praxis der Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern grundlegend infrage gestellt“. Nicht nur in Bayern genüge diese oft nicht rechtsstaatlichen Erfordernissen. Da die Vorschrift nicht auf bestimmte Delikte begrenzt sei, gebe es auch im Südwesten zeitlich unbegrenzte Unterbringungen etwa wegen Beleidigung, Nötigung oder einfacher Körperverletzung – Delikten also, die im Allgemeinen nur mit Geldstrafen geahndet würden. Zudem übersteige die Dauer der Unterbringung nicht selten die Dauer einer Freiheitsstrafe, die ein gesunder Täter selbst bei Wiederholungsgefahr verbüßen müsste, teilweise sogar um ein Mehrfaches.

Auch bei der notwendigen Diagnose einer psychischen Störung gibt es laut Bader zweifelhafte Praktiken. Es seien Fälle bekannt, in denen die Diagnose nur auf der Beobachtung des Angeklagten im Prozess und auf früher gestellte Diagnosen beruhe, die jedoch vom Gericht nicht überprüft worden seien. An das Justizministerium appelliert die Neue Richtervereinigung, dass es „nicht eine vergleichbare defensive Rolle übernimmt, wie dies in Bayern bedauerlicherweise der Fall war und ist“.

Anwalt sieht Handlungsbedarf

Unterstützt wird der Verband von dem Mannheimer Anwalt Günter Urbanczyk, der wiederholt in solchen Fällen tätig ist. „Handlungsbedarf“ sieht Urbanczyk etwa bei der Dauer der Unterbringung: Da für die Betroffenen „kein Ende abzusehen ist“, führe dies „mitunter zu völliger Hoffnungslosigkeit“. Selbst zu lebenslänglicher Haft Verurteilte könnten darauf hoffen, nach 15 Jahren freizukommen. Zweifel hat der Anwalt auch an der jährlichen Überprüfung: Diese sei „stark ritualisiert“ und von dem Bemühen der Gerichte geprägt, „nicht den Schwarzen Peter“ zu bekommen. „Fast der größte Missstand“ ist für ihn, dass die Unterbringung nicht nach Delikten differenziert geregelt ist. Als Beispiel für Missstände nannte Urbanczyk den Fall eines Untergebrachten, der nach einem Dreivierteljahr noch „keine spezifische Therapiestunde“ bekommen habe; hier finde offensichtlich nur eine „Verwahrung“ statt.

Justizminister Stickelberger sieht „derzeit“ keinen Grund, eine Initiative zur Reform des Paragrafen 63 zu starten. Weder die noch nicht konkret benannten Fälle im Schreiben der NRV noch der Fall Mollath gäbe Anlass dazu. Letzterer sei in Stuttgart nicht in Details bekannt und werde von der bayerischen Justiz aufgearbeitet.