Der Landkreis Esslingen baut die wohnortnahe psychiatrische Versorgung aus. Neuster Baustein im Konzept ist die Anlaufstelle in Plochingen.

Plochingen - Die Medius Kliniken bauen ihr Angebot im Kreis Esslingen aus. Seit September gibt es eine weitere Psychiatrische Institutionsambulanz, kurz Pia, in Plochingen. Damit wird die wohnortnahe psychiatrische Versorgung, die bisher bereits in Kirchheim, Nürtingen, Esslingen und Filderstadt-Bernhausen angeboten wird, um einen weiteren Baustein ergänzt. Die neue Einrichtung richtet sich an Patienten, die aufgrund der Art und Schwere ihrer meist chronischen psychischen Erkrankung eine krankenhausnahe Versorgung benötigen.

 

Ziel sei es, eine kontinuierliche Behandlung zu sichern und damit Krankenhausaufenthalte zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen, erklärt der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medius Klinik, Christian Jacob. Zu den Krankheitsbildern, die die Ärzte in einer Ambulanz behandeln, gehören Psychosen, affektive Störungen wie Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Angst- und Zwangserkrankungen, schwerwiegende Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen im Alter. Oft wechselten sich stationäre und ambulante Behandlungen ab. „Es geht häufig hin und her“, sagt Jacob. Die Nähe der Pia zum Krankenhaus sei für viele Patienten ein Vorteil.

Kürzere Fahrzeiten, schnellere Behandlung

Einer der Menschen, die von der neuen Pia in Plochingen profitieren, ist Timotheus Meier, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Früher habe er regelmäßig nach Kirchheim fahren müssen, berichtet er. Dass er die regelmäßigen Gesprächstermine mit seiner Psychiaterin nun in Plochingen wahrnehmen könne, das sei eine große Erleichterung für ihn, der in einer Gemeinde auf dem Schurwald wohnt.

Seit vielen Jahren plagen den 58-Jährigen Psychosen. Eine Zeit lang sei er sich sicher gewesen, dass ihn jemand vergiften wolle. Die verschriebenen Tabletten habe er dann nicht mehr eingenommen. „Die Realität verändert sich“, beschreibt er die Auswirkungen der Erkrankung. Die Psychose schränke ihn sehr in seinem Alltag ein. „Wenn ich einen halben Tag irgendetwas gemacht habe, brauche ich meine Ruhe“, sagt er. Den Sommerurlaub habe er kürzlich abbrechen müssen, weil es einfach nicht mehr gegangen sei. Wenn sich die gesundheitliche Situation ändere, müsse schnell ein Termin bei der Ärztin vereinbart werden. Danach könnten beispielsweise andere Medikamente für eine Linderung der Symptome sorgen. Der Kontakt zur Psychologin sei wichtig, um auf Veränderungen im Gesundheitszustand richtig und schnell reagieren zu können.

Institutsambulanz noch in der Aufbauphase

Vor der Schließung des Plochinger Krankenhauses ist er immer dorthin zur Therapie gefahren. Zuletzt musste er aber immer nach Kirchheim kommen. Er nutzt ein Auto oder einen Roller für die Fahrten. Andere Patienten sind auf Bus und Bahn angewiesen. Vor allem im Sommer fährt Timotheus Meier mit seinem Roller, um Benzin zu sparen. Wie viele Menschen, die an schweren psychischen Erkrankungen leiden, kann der Mann keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Und eine Fahrt nach Kirchheim ist teuer. Mit dem Bus und der Bahn schlägt eine einfache Fahrt beispielsweise aus dem Schurwald nach Kirchheim mit 8,50 Euro zu Buche und dauert eineinhalb Stunden. Für eine Hin- und Rückfahrt müssen also 17 Euro investiert werden. Für Menschen, die von staatlichen Transferleistungen leben, ist das viel Geld. Hinzu kommt eine Fahrzeit von insgesamt drei Stunden, was für Menschen mit psychischen Problemen zu einer großen Belastung werden kann. „Das ist eine Zumutung für diese Menschen“, findet der Chefarzt, Christian Jacob.

Die neue Pia in Plochingen befindet sich derzeit noch in der Aufbauphase. Momentan nutzen vier Psychiater der Medius Kliniken die Räume, um ihre Patienten wohnortnah versorgen zu können. Insgesamt könnten in Plochingen bis zu 200 Patienten versorgt werden, erklärt Jacob. Dass die Anzahl psychischer Erkrankungen innerhalb der Bevölkerung in den vergangenen Jahren zugenommen hat, das könne er nicht ohne weiteres sagen, erklärt der Chefarzt Jacob. Was allerdings zugenommen habe, das seien die Behandlungsfälle. „Es werden mehr Leute behandelt.“

Ein großer Vorteil sei, dass die Patienten nicht allein in Gespräche und mit Medikamenten behandelt würden, sondern auch an einen Sozialpsychologischen Verbund vermittelt werden könnten. „Die sozialen Probleme werden mit abgedeckt.“ Denn oft rutschten Menschen mit schweren chronischen psychischen Erkrankungen immer weiter im Netz des Sozialstaates nach unten. Irgendwann hätten sie keinen Kontakt mehr zu Freunden oder der Familie und daher Schwierigkeiten, ihre Rechte wahrzunehmen.