Ein Mann kommt in eine Tankstelle in der Stuttgarter City, stiehlt Kondome vor laufender Kamera und fuchtelt mit einem Messer herum. Jetzt steht der merkwürdige 31-Jährige vor dem Landgericht.

Stuttgart - Die Überwachungskamera hat alles aufgezeichnet. Am späten Abend des 25. Januar dieses Jahres kommt ein Mann in dunkler Kapuzenjacke in den Verkaufsraum einer Tankstelle an der Kriegsbergstraße in der Stuttgarter Innenstadt. Er geht zu einem Regal, steckt eine Packung Kondome in die Jackentasche, nimmt sich eine Dose, öffnet sie und trinkt. Dann schnappt er sich ein Männermagazin und verstaut es in seiner mitgebrachten Tasche. Schließlich zieht der merkwürdige und offensichtlich diebische Kunde ein Messer mit langer Klinge.

 

Die Situation wird bedrohlich. Er zeigt das Messer herum, geht sogar einem Kunden zu dessen Auto nach, postiert sich vor dem geschlossenen Fenster der Beifahrertür und präsentiert das Messer der Frau auf dem Beifahrersitz. Warum dieser Autofahrer und seine Beifahrerin nicht die Polizei rufen, bleibt ihr Geheimnis. Dann geht der Messermann wieder in den Verkaufsraum und fuchtelt mit der Waffe herum. Um 23.42 Uhr trifft die von den schockierten Angestellten alarmierte Polizei ein, die Beamten nehmen den Burschen fest.

Der Mann leidet an Schizophrenie

Dieser Mann sitzt nun vor der 7. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Staatsanwalt Matthias Schweitzer wirft ihm Diebstahl mit Waffen sowie Bedrohung vor. Der Ankläger weiß aber auch, dass der 31-Jährige aus dem Kreis Rastatt, vertreten von Verteidiger Roman Wischnewski, an einer drogeninduzierten paranoiden Schizophrenie leidet, wahrscheinlich ausgelöst von jahrelangem Amphetaminkonsum.

„Ja, der Vorwurf trifft zu“, sagt der 31-Jährige. Er sei damals vom Hauptbahnhof aus ziel- und planlos herumgelaufen und schließlich in der Tankstelle gelandet. Geld habe er nicht dabeigehabt. Die Kondome habe er nur aus Spaß eingesteckt, er sei total aufgeputscht gewesen. „Aber ich habe niemanden mit dem Messer bedroht. Ich habe es nur herumgezeigt.“ Manchmal höre er Stimmen, eine Frau und einen Mann. Die würden ihm nichts befehlen, sondern sein Tun nur kommentieren. In der Tankstelle habe er indes keine Stimmen gehört. „Ich fühlte mich aber durchsichtig“, sagt er. So, als ob alle seine Gedanken lesen könnten.

Eltern haben Angst vor dem Angeklagten

Der Angeklagte, der wegen seiner Psychosen zwei Ausbildungen abgebrochen hat, neigt dazu, sich als Opfer darzustellen. Staatsanwalt Schweitzer zieht ihm diesen Zahn. Wie er sich denn erkläre, dass seine Eltern keinen Kontakt mit ihm haben wollten? Der Angeklagte druckst herum, der Ankläger stellt klar: Der Vater des 31-Jährigen verlasse das Haus nur noch mit waffenähnlichen Gegenständen, weil er von seinem Sohn bedroht werde. Die Mutter verlasse das Haus fast gar nicht mehr. Sie habe gar ihre Arbeitsstelle in einer Arztpraxis gekündigt – aus Scham, weil der Sohn sie dort ständig belästigt habe. Den Onkel habe der 31-Jährige auch vor dessen Haus bedroht. Und zwar nachts, bei Minusgraden, nur mit einer Unterhose bekleidet.

Derzeit ist der 31-Jährige in der Psychiatrie untergebracht. „Mir fehlt es dort an nichts“, sagt er. Er wolle mit seinen Eltern ins Reine kommen und eine Ausbildung machen. Das könne er schaffen, wenn er seine Medikamente nehme. „Wohl ein Leben lang“, sagt er.

Der 31-Jährige muss in die Psychiatrie

Die 7. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Rainer Gless verurteilt den Angeklagten schließlich wegen Diebstahls mit Waffen zu neun Monaten Haft und verfügt gleichzeitig seine Unterbringung in der Psychiatrie. Soll heißen: Falls der 31-Jährige vor Ablauf der neun Monate als gesund gelten sollte, muss er die Reststrafe absitzen. So lange er als krank und als gefährlich gilt, bleibt er in der psychiatrischen Anstalt – im Zweifel auch länger als die verhängten neun Monate.