Mehr als die Hälfte aller chronischen Schlafprobleme werden durch Stress im Beruf oder Alltag ausgelöst. Was hilft?

Stuttgart - Tagsüber ist in der Firma die Hölle los, und nachts ist an erholsamen Schlaf nicht zu denken. Etwa zehn Prozent der Deutschen leiden an chronischen Schlafstörungen. Viele kämpfen mit dem Einschlafen, andere wachen in der Nacht immer wieder auf, und manche quälen sich sowohl mit Ein- wie auch Durchschlafstörungen. Anderntags sind sie müde und abgeschlagen, fühlen sich in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Nichtsdestotrotz bleibt ihr Job stressig, auch im Privaten sind sie gefordert, und am Abend wälzen sie sich erneut von der einen auf die andere Seite des Betts.

 

Dieter Riemann kennt die Leidensgeschichten der Schlaflosen. Der Psychologe leitet den Bereich Schlafmedizin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Uniklinikums Freiburg. Nicht alle chronischen Schlafstörungen werden durch Stress ausgelöst, aber viele: 50 bis 60 Prozent schätzen Experten. Darüber hinaus gibt es organisch bedingte Schlaflosigkeit, die etwa durch Schilddrüsenfehlfunktionen ausgelöst werden kann. Auch wer an einer Depression erkrankt ist, leidet in der Regel an ausgeprägten Schlafproblemen.

Die Kopplung von Stress und Schlaflosigkeit ist ein Produkt der Evolution. „Für den Steinzeitmenschen war es einfach besser, wach zu sein, wenn Gefahr drohte“, erklärt Riemann. Dieses Schutzprogramm trägt der Mensch bis heute in sich. Daher ist es ganz normal, dass man in Stresssituationen mal schlecht schläft. Kaum einer wird sich wundern, wenn er in der Nacht vor der Hochzeit oder einer wichtigen Prüfung wenig Ruhe findet. Lässt die Anspannung nach, verschwindet die Schlafstörung gewöhnlich. Manchmal aber bleibt es dauerhaft bei wenig erholsamen Nächten. „Eine chronische Schlaflosigkeit entwickelt sich meist schleichend“, sagt Riemann, der auf knapp 30 Jahre Forschung und Behandlung zurückblickt und solche oder ähnliche Verläufe zigfach beobachtet hat: Noch in der Schulzeit, vor der Abschlussprüfung tritt das Problem zum ersten Mal auf, während der ersten Tage bei der Bundeswehr kehrt es wieder. Stehen Meisterprüfung oder Staatsexamen an, plagt sich der Absolvent nachts erneut mit quälenden Wachphasen. Das Berufsleben bleibt anstrengend, und bis dahin ist die Schlafstörung zum ständigen Begleiter geworden.