Psychologen untersuchen seit einigen Jahren, ob sich vertrackte Probleme auch ganz entspannt lösen lassen – indem man seine unbewussten Ressourcen mobilisiert. In einer großen Untersuchung kommen sie nun zu einem überraschenden Ergebnis.

Stuttgart - Als der britische Mathematiker Bertrand Russell 1930 einen psychologischen Ratgeber veröffentlichte, der später in Deutschland unter dem Titel „Eroberung des Glücks“ herauskam, gab er einen Einblick in seine Arbeitstechniken. Wenn er an einer schwierigen Arbeit sitze und mit dem Schreiben nicht vorankomme, dann übergebe er die geistige Arbeit nach einigen erfolglosen Bemühungen gewissermaßen seinem Unterbewusstsein. „Nach einigen Monaten kehre ich bewusst zu dem Thema zurück und stelle fest, dass die Arbeit erledigt worden ist.“ (Seite 75/76 in diesem Dokument)

 

Dieses Rezept wird seit rund zehn Jahren in der Psychologie erforscht, weil Studien nahelegen, dass etwas dran ist. Man lässt die Versuchspersonen zwar nicht monatelang an den Grundlagen der Mathematik arbeiten, aber man versucht doch zu untersuchen, ob und wie das Unterbewusste schwierige Aufgaben löst. In einem typischen Experiment haben niederländische Psychologen die Probanden vor die Wahl gestellt, welches von vier fiktiven Autos sie kaufen würden: den Hatsdun, den Kaiwa, den Dasuka oder den Nabusi? Zu jedem Auto wurden den Probanden zwölf positive oder negative Eigenschaften gezeigt, beispielsweise stand auf dem Computerbildschirm, dass der Kaiwa teuer sei. Nach zwei Minuten war die Informationsphase vorbei und die Psychologen konnten ihre Forschungsfrage angehen: Wer entscheidet sich für das Auto mit den meisten positiven Eigenschaften – derjenige, der noch einmal drei Minuten Zeit bekommt, gründlich nachzudenken, oder derjenige, der sich in der Zwischenzeit mit etwas anderem beschäftigt und höchstens unbewusst über den Autokauf nachdenkt?

Bilden sich Menschen zu schnell eine Meinung?

Keiner von beiden, berichtet das Team um Mark Nieuwenstein von der Universität Groningen im Fachjournal „Judgement and Decision Making“: in beiden Fällen suchten sich die Versuchspersonen in 55 Prozent der Fälle das Auto mit den meisten positiven Eigenschaften aus. Die Psychologen haben auch eine Erklärung für den ausbleibenden Effekt: Sie vermuten, dass sich Menschen einfach zu schnell eine Meinung bilden und dann dabei bleiben. Die Probanden hätten sich demnach für ein Auto entschieden, bevor sie alle Vor- und Nachteile gesehen haben. Da würde das Unterbewusste auch nichts mehr ausrichten können.

Das Team hat 400 Probanden befragt, was in der Psychologie als große Stichprobe gilt und daher ein verlässlicheres Ergebnis liefern sollte als die bisherigen, kleineren Studien. Im Wissenschaftsmagazin „Nature“ äußern sich Fachkollegen zu dem überraschenden Ergebnis: Sie wollen die Theorie des unbewussten Denkens nicht vorschnell abhaken. Ap Dijksterhuis von der Universität Nijmegen verweist zum Beispiel darauf, dass es schon viele Belege für die Theorie gebe. Das lässt sich nicht durch eine einzelne negative Studie relativieren.