Probanden sind im Wissenstest besser, wenn sie zuvor an einen Professor gedacht haben. Doch Experimente dieser Art sind ins Gerede gekommen, denn Wiederholungen gingen schief. Nun ist ein Streit über die Methoden des Fachs entbrannt.

Stuttgart - Neun Minuten hatten die Versuchspersonen Zeit, um alles aufzuschreiben, was für einen Professor typisch ist. Eine andere Gruppe musste die Liste für einen Hooligan aufstellen. Die Details sind nicht überliefert, aber in einem Punkt waren sich die Probanden einig: Auf einer Intelligenzskala von 1 bis 9 wurden die Professoren mit einer 8 und die Hooligans mit einer 2 eingestuft. Der eigentliche Clou folgte aber erst: Die Versuchspersonen mussten 60 Fragen aus dem Spiel „Trivial Pursuit“ beantworten. Und siehe da: die Probanden aus der Professorengruppe beantworteten 59 Prozent richtig, in der Hooligangruppe waren es nur 43 Prozent.

 

Wie kann das sein? Die Autoren der Studie erklären sich das damit, dass die Versuchspersonen ihr Verhalten unbewusst der Person angepasst haben, mit der sie sich zuvor beschäftigt hatten. Das kann passieren, wenn die Person im Geiste präsent ist. Womöglich waren die Probanden in der Professorengruppe im Wissenstest dadurch besser motiviert. Im Fachjargon wird der Effekt Priming genannt – ein Begriff, für den es keine deutsche Übersetzung gibt. Gemeint ist eine Art Grundierung des Denkens, die Assoziationen den Boden bereitet: Wenn man an einen Professor denkt und Professoren für intelligent hält, ist man gedanklich auf einem Pfad, der einen ehrgeiziger sein lässt, wenn die Allgemeinbildung abgefragt wird. Dass die Versuchspersonen davon womöglich nichts bemerken, stört die Psychologen nicht, denn die Selbstwahrnehmung gilt in diesem Fach als unzuverlässig.

Ein Nobelpreisträger warnt seine Fachkollegen

Seit Mitte der 90er Jahre haben Psychologen eine bunte Liste von Priming-Effekten zusammengestellt. Sie alle lassen den Menschen als überraschend manipulierbar erscheinen und anfällig für Klischees. Das Trivial-Pursuit-Experiment scheint zum Beispiel auch zu funktionieren, wenn man die Probanden an Albert Einstein denken lässt. Und wenn der Versuchsleiter seine Unterlagen aus einer schwarzen, ledernen Aktentasche holt, sind die Probanden in einem Spiel weniger kooperativ, als wenn statt der Aktentasche ein Rucksack auf dem Tisch liegt. Wenn man durch die Aktentasche an Manager erinnert wird, sind Gedanken an Konkurrenzkampf und Durchsetzungsfähigkeit nicht weit. Der Rucksack lässt hingegen an einen Urlaub mit Freunden denken und aktiviert das Gerechtigkeitsempfinden.

Doch das Priming ist ins Gerede gekommen, weil sich einige zentrale Experimente nicht wiederholen ließen (weitere Hintergründe dazu in der StZ-Kolumne „Heureka“). Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman sieht die Fachrichtung auf eine Krise zusteuern und hat seine Kollegen in einem Brief zu systematischen Überprüfungen gedrängt. David Shanks vom University College London hat zum Beispiel vor einem Jahr neun Variationen des Trivial-Pursuit-Experiments vorgestellt, von denen keines den Originalbefund von Ap Dijksterhuis von der Universität Nijmegen bestätigt. Alles andere hätte ihn auch gewundert, denn er schreibt, dass er die Priming-Effekte für ausgesprochen flüchtig hält. Die Psychologen macht die Kritik nervös: Sie schreiben wütende Erwiderungen und widmen ganze Ausgaben ihrer Fachzeitschriften dem Problem der ausbleibenden Bestätigung.

Im Grunde gilt für alle wissenschaftlichen Experimente: ein Mal ist kein Mal, denn alle Forschungsergebnisse müssen unabhängig bestätigt werden – und das kann auch bei bester Absicht schiefgehen. Das musste Matt Motyl erfahren, ein Doktorand an der University of Virginia, der herausfand, dass Menschen mit extremen politischen Ansichten schlechter darin sind, Grautöne voneinander zu unterscheiden, als andere. Sie schienen die Welt tatsächlich in Schwarz und Weiß zu sehen. Doch als Motyl das Experiment wiederholte, war der Effekt verschwunden. Vermutlich war der erste Durchgang ein Zufallsergebnis, das keinen echten psychologischen Effekt widerspiegelt. Die Studie hat Motyl nie veröffentlicht und blieb vorerst Doktorand. Einer seiner Betreuer, Brian Nosek, treibt indes ein Gemeinschaftsprojekt voran, in dem Psychologen publizierte Studien aus renommierten Fachjournalen der Reihe nach überprüfen.

Ist die Theorie widerlegt, wenn die Bestätigung schief geht?

Wolfgang Stroebe von der Universität Utrecht findet die Aufregung hingegen übertrieben. Wenn eine Wiederholung scheitere, müsse man sich fragen, woran das liegt, schreibt er mit seinem Kollegen Fritz Strack in einem Kommentar. Vor allem müsse man prüfen, ob die Versuchsanordnung die Probanden auf die gewünschten Gedanken bringt. Eine Spekulation zum Quiz-Experiment macht das deutlich: Zwischen dem Originalversuch und seinen Wiederholungen könnte sich das Bild des Professors gewandelt haben. Womöglich galten sie früher als intelligent, heute aber eher als weltfremd – oder, wenn man an Einstein denkt, in erster Linie als unkonventionell. Dann wäre es kein Wunder, dass David Shanks bei seiner Überprüfung keinen Effekt gefunden hat. Doch der habe sich diese Frage gar nicht gestellt, sagt Stroebe, der früher das Psychologische Institut der Universität Tübingen geleitet hat.

Um zu zeigen, dass Gedanken an einen Professor zu Gedanken an Intelligenz und Bildung führen, könnte man den Versuchspersonen Buchstabenkombinationen wie SAUCHL und SEKÄPLE vorlegen. Sie sollten die darin versteckten Wörter schneller erkennen können, wenn der Gedanke an einen Professor ihnen den Gedanken an die Intelligenz in den Kopf gesetzt hat.

So wird aus der Krise eine Reflexion über die methodischen Grundlagen des Fachs. Stroebe empfiehlt mehr Kreativität beim Überprüfen. Selbst wenn eine exakte Wiederholung gut ausgehe, bringe das die Forschung nicht voran, sagt er: „Dann hat man nur den Befund bestätigt, aber für die Theorie nichts gewonnen.“ Käme bei einer Wiederholung des Quiz-Experiments dasselbe heraus wie im Originalversuch, wüsste man bloß mit größerer Zuverlässigkeit, dass der Gedanke an einen Professor Menschen beim Wissenstest anspornt. Die Psychologen interessiert jedoch, warum das so ist und wo die Grenzen des Effekts liegen. Um das zu erforschen, muss man Stroebe zufolge die Experimente variieren.

Als Laie fragt man sich angesichts der Debatte augenzwinkernd, ob der Gedanke an einen Professor auch Wissenschaftler zu Höchstleistungen motivieren würde.