Als sich Mensch und Hund zum ersten Mal in die Augen schauten, war es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. In beiden Gehirnen wird bei Blickkontakt das Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet. Es verbindet Hund und Herrchen bis heute.

Stuttgart - Der Blick in die Augen könnte ein wesentlicher Schritt zu der besonderen Beziehung zwischen Mensch und Hund gewesen sein. Diese Überlegung stützen Takefumi Kikusui von der Azabu-Universität im japanischen Sagamihara und seine Kollegen im Wissenschaftsmagazin „Science“ mit Messungen des Hormons Oxytocin. Diese Substanz spielt bei Säugetieren in der engen Beziehung zwischen Mutter und Kind eine wichtige Rolle. „Mich überrascht es daher nicht, dass dieses Hormon auch für die Bindung zwischen Mensch und Hund wichtig ist“, meint Roman Wittig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Gibt es doch in beiden Fällen eine wichtige Gemeinsamkeit: Die jeweiligen Partner teilen ihr Essen. Der Besitzer füttert seinen Hund, und die Mutter stillt ihr Baby.

 

Oxytocin wurde Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt: Bei der Geburt und beim Stillen setzt die Mutter größere Mengen dieses Hormons frei. Das Oxytocin löst das Abstoßen der Plazenta und damit die Nachgeburt aus. Gleichzeitig dockt die Substanz als Botenstoff an bestimmten Rezeptoren im Gehirn an und unterstützt damit den Aufbau von Beziehungen.

Beim Stillen produziert der Organismus von Mutter und Kind ebenfalls Oxytocin und vertieft dabei die Bindung zwischen beiden weiter. Wissenschaftler nennen das eine positive Rückkopplung: Füttert die Mutter ihr Baby mit ihrer Milch, wird jedes Mal das Hormon ausgestoßen und bestätigt so die Beziehung aufs Neue. Und das nicht nur beim Menschen, sondern bei allen Säugetieren, die Forscher bisher auf Oxytocin untersucht haben.

Liebe scheint tatsächlich durch den Magen zu gehen

Das Hormon hilft auch, Freundschaften zu etablieren. „Schimpansen teilen in der Natur bisweilen ihre Nahrung mit anderen Gruppenmitgliedern“, hat Roman Wittig an der Elfenbeinküste beobachtet. Erneut ist also das gemeinsame Essen wichtig. Allerdings können die Forscher die Oxytocin-Ausschüttung im Gehirn bei wild lebenden Tieren natürlich nicht direkt messen. Stattdessen bestimmen sie den Gehalt dieses Hormons im Urin der Tiere, der parallel zur Konzentration im Gehirn steigt oder fällt. „20 bis 30 Minuten nachdem einer der Schimpansen sein Futter mit einem anderen in seiner Gruppe geteilt hat, verfünffacht sich die Oxytocin-Konzentration im Urin“, fasst Wittig die Ergebnisse zusammen. Und: „Diesen Anstieg sehen wir auch, wenn die Schimpansen nicht befreundet sind.“ Die chemische Botschaft Oxytocin kann also Freundschaften stiften – Liebe scheint durch den Magen zu gehen.

Hoch im Kurs steht in Schimpansenkreisen die gegenseitige Fellpflege, bei der auch noch der eine oder andere Parasit auf der Haut entfernt wird. „Unter Freunden kann sich bei diesem Gunstbeweis der Oxytocin-Gehalt im Urin verdoppeln“, berichtet Roman Wittig. Außerhalb des Freundeskreises löst das Kraulen dagegen kaum eine Reaktion dieses Hormons aus. Mit der Fellpflege allein knüpfen Schimpansen also keine neuen Beziehungen, sondern bestätigen eher alte Freundschaften.

Ganz ähnlich scheint auch die Beziehung zwischen Herr und Hund zu funktionieren. Jedenfalls genießen es die Vierbeiner offensichtlich, gekrault zu werden – so eine Bestätigung tut eben jeder Beziehung gut. Serviert der zweibeinige Freund dann auch regelmäßig Futter, knüpft er die Banden noch enger. Eher ungewöhnlich für Säugetiere ist es aber, dass sich beide oft auch lange in die Augen schauen. „Je länger sie das tun, umso stärker steigt bei beiden der Oxytocin-Spiegel“, berichten Takefumi Kikusui und seine Kollegen. Auch der Augenkontakt vertieft also die Beziehung.

Ganz anders ist die Situation bei Wölfen, die sich normalerweise kaum in die Augen schauen. Auch von Hand aufgezogene Wölfe suchen meist keinen direkten Augenkontakt mit dem vertrauten Menschen. Irgendwann in der langen Beziehung zwischen Hund und Mensch muss sich das geändert haben. In dieser Zeit haben die Zweibeiner vermutlich vor allem die Hunde gezüchtet, mit denen sie sich gut verständigen konnten. Suchte ein Tier aus einer zufälligen Laune der Natur heraus den Blickkontakt zu seinen Herren, wurde diese vertraute Geste weiter gezüchtet. Der Blick in die Augen des anderen verstärkte die Beziehung dann weiter, und der Hund wurde zum „besten Freund des Menschen“.