In manchen Fällen schaden Behandlungen mehr, als dass sie nützten. Daher müssen Patienten darauf achten, dass der Therapeut zu ihnen passt.

Stuttgart - Eine durch sexuelle Übergriffe traumatisierte Patientin begibt sich in die Obhut eines jungen, etwas übermotivierten Therapeuten. Er konfrontiert sie recht schnell mit ihren traumatischen Erfahrungen. In der Folge entwickelt sie weitere traumabedingte Symptome und körperliche Störungen, die den jungen Therapeuten ebenfalls verunsichern.

Als er sich von Kollegen beraten lässt, stellt sich heraus, dass die Patientin sehr viel "behutsamer" und vorzugsweise von einer Frau behandelt werden müsste. Dieses Fallbeispiel entstammt dem reichhaltigen Erfahrungsschatz von Bernhard Strauß. Der Psychotherapieforscher vom Universitätsklinikum Jena beschäftigt sich seit Jahren mit den nachteiligen Folgen von psychologischen Behandlungen – ein wichtiges Thema, das lange Zeit von der Wissenschaft vernachlässigt wurde.

Rund jedem zehnten Patienten geht es nach einer Therapie schlechter. Unangenehme Folgen treten dabei in allen Therapierichtungen und in den verschiedensten Formen auf. Leider lassen sie sich auch gar nicht vermeiden: Denn nur was überhaupt nicht wirkt, habe keine Nebenwirkungen, so Bernhard Strauß im Fachblatt "Psychotherapeut". In einer Überblickstudie sichtete er zusammen mit Kollegen zahlreiche einschlägige Untersuchungen. Für alle Behandlungen in der Medizin gelte, dass mit der Wirksamkeit ebenso die Gefahr von Risiken und Nebenwirkungen steige.

Zur erfolgreichen Therapie gehören immer zwei


"Natürlich führen Psychotherapien in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu erwünschten Wirkungen", betont Strauß. Doch unbeabsichtigte Folgen blieben eben nicht aus.

Durch die Behandlung könnten sich beispielsweise ganz neue dauerhafte Symptome bilden. Bei anderen Patienten wiederum entstünden Probleme in ihrem sozialen und beruflichen Umfeld. "Im Extremfall können sich Nebenwirkungen zu regelrechten Schäden steigern", sagt Strauß. Beispielsweise kommt es vor, dass ein Patient von seinem Therapeuten massiv abhängig wird. Diese unbeabsichtigte Entwicklung zählt zu den nachhaltigsten Erlebnissen, die meist in keinem Verhältnis zu der Verbesserung von Symptomen stehen.

Zu einer erfolgreichen Therapie gehören dabei immer zwei. Anhand eigener und fremder Untersuchungen filterte David Mohr in einer Überblicksstudie Eigenschaften von Patienten heraus, die den Behandlungserfolg gefährden. Grundsätzlich setze eine Therapie ein intimes Verhältnis zwischen Therapeut und Patient voraus, erläutert der Mediziner von der Northwestern University in Chicago. Patienten mit Problemen im zwischenmenschlichen Bereich falle aber genau das schwer.

Schäden durch fehlerhafte Behandlung


Bezeichnenderweise könnten sie eher weniger Gewinn aus einer Behandlung ziehen. Tendenziell berichten genau die Patienten von ihren Schwierigkeiten, anderen Menschen zu vertrauen, die negativ auf eine Therapie ansprechen. Viele von ihnen neigen gar dazu, den Therapeuten zu belügen oder wichtige Informationen vor ihm geheim zu halten. Auch wenig motivierten Patienten verspricht eine Psychotherapie eher nachteilige Folgen.

"Mangelnde Bereitschaft und Mitarbeit aufseiten der Patienten können selbstverständlich der Behandlung abträglich sein", bestätigt Bernhard Strauß. Dies solle in der Therapie möglichst frühzeitig zum Thema gemacht werden. "Allerdings sind die Patienten diejenigen, die aufgrund ihrer Probleme in die Behandlung kommen und deshalb gewissermaßen auch berechtigt sind, sich nicht wie Musterschüler zu verhalten."