Flüchtlinge haben in Neugereut eine „Let’s putz!“-Aktion veranstaltet – und damit auch viele Pluspunkte für den Bezirk gesammelt.

Neugereut - Im Flüchtlingsheim in Hofen sind überquellende Mülltonnen direkt an der Straße ein wiederkehrendes Ärgernis. Abgelagerten Fremdmüll mal nicht mitgerechnet. In Neugereut, wo zwei statt drei Häuser stehen, ist das anders. An der Unterkunft im Sturmvogelweg ist mehr Platz für mehr Container, und diese befinden sich auch innerhalb des Zaunes, der die Unterkunft umgrenzt. An den Containern selbst ist es besenrein. Arabisch die Aufschriften, die Mülltrennung auch mit fotografischen Beispielen gestützt. Und linker Hand zeigt sich selbst der Sperrmüll – Fahrradskelette, Kindertraktor, Dreirad, Teppich, zerquetschter Fußball – als ordentliches Häuflein.

 

„Wir haben in das Thema viel Zeit investiert“, sagt Mahmoud Al Asadi, der Heimleiter von den Maltesern, „wir haben das in allen Sprachen erklärt und betont, dass das hier streng gehandhabt wird. Und wir haben gesagt, dass das alle beachten müssen.“ Dann lächelt er und fügt hinzu: „Wir haben hier sogar schwäbische Kehrwoche. Das funktioniert ganz gut.“

Gut 40 Erwachsene machen mit

An diesem Nachmittag aber geht es raus aus dem Heim, denn die Flüchtlinge wollen „Let’s putz!“ machen im Areal zwischen Brachvogel-, Regenpfeiferweg und Kormoranstraße und so dem Stadtteil ein Päckchen Zahlen draufpacken für den Wettbewerb der Stadtbezirke. Gut 40 Erwachsene und eine Handvoll Kinder stehen bereit, werden mit Mülltüten ausgestattet, einige mit Gabelzwicken. Als Al Asidi einen Bewohner fragt, ob er wisse, worum es geht, sagt der: „Yes, cleaning.“ Und schon schwärmen sie gruppenweise aus in alle Richtungen.

Gleich eifrig bei der Sache ist Aahdi an den Parkplätzen fürs Sportgelände. Zerknüllte Papiertaschentücher, Dosendeckel, platte Getränkekartons. Selbst Papierschnipsel fitzelt der Elfährige aus dem Iran aus den Hohlräumen der Gittersteine: „Wenn ich von oben kucke, muss sauber sein. Ich mag Sauberkeit.“ Was gleich Gelegenheit bietet, mit Bahareh Salehi über den gelegentlich behaupteten „kulturellen Konflikt“ in Sachen Ordnung zu sprechen: „In der Stadt, aus der ich komme, gab es zwei, drei Mal im Jahr solche Aktionen.“ Salehi ist vor fünf Jahren aus dem Norden des Iran geflüchtet. Nun arbeitet sie für die Malteser beruflich in der Hausleitung mit. Sie kennt also den Jungen und sagt: „Er will immer helfen.“

Gammelige Kartons, Chipstüten, ein ruiniertes Skateboard in der Hecke. Kaum Ausbeute dagegen beim Gang durch die Wiese. Ab der Kita Regenpfeiferweg, wo ein Plakat in 34 Sprachen „Willkommen in Deutschland“ sagt, gibt es wieder ordentlich zu tun. Kippen, Papierkram, Glasscherben. Für Hosea Omoropion aus Nigeria wird die Tour zum Zickzacklauf. Denn ihre beiden Jungs, Elvis und Edmos, drei und fünf Jahre alt, halten die Tüte auf – und ihnen entgeht nichts.

Zwei Damen betrachten die Szene mit Wohlwollen

Auch bei Elham Niazi, der in Kabul in der britischen Botschaft gearbeitet hatte, füllt sich der Müllbeutel. Aus dem frisch gemähten Wiesenstück an der Haltestelle „Marabustraße“ krümelt er zerfetzte Plastikteile aus dem Grund. Den Hundehaufen lässt er lieber liegen und eilt zum Kollegen an der Haltestelle, wo sich die Aktion ziemlich lohnt. Zwei ältere Damen betrachten die Szene mit Wohlwollen. Auch im Grünstreifen an der Straße gibt es was zu holen. Leere Plastikflaschen, Tüten, eine zerbrochene Haarbürste, ein Kleiderbügel, Zigarettenschachteln: „Dafür geh’ ich meilenweit!“ Im Rohrdommelweg sammelt der Syrer Riad Abdullah Coffee to go-Reste. Eine Passantin bleibt stehen und sagt: „Schön! Ich möchte Beifall klatschen. Aber das wäre nicht angebracht.“ Die Männer nehmen die Freundlichkeit wahr und lächeln. Sie nehmen überhaupt jede Gelegenheit wahr, um ein bisschen ins Gespräch zu kommen. Wer Englisch kann, ist besser dran. Ahmed Niazi, der in Afghanistan für die US-Army gearbeitet hatte, musste nach deren Abzug flüchten: „Böse Sicherheit“, sagt er. Und dann spricht er den Satz des Tages: „Vielen Dank, cleaning gut!“

Nach knapp anderthalb Stunden ist wieder Vollversammlung am Sturmvogelweg. Der Heimleiter strahlt, und er ist nicht der Einzige: „Die sind hier sowieso positiv. Sie wollen sich engagieren, wollen was tun. Jetzt konnten sie zeigen, dass sie aktiv sind und etwas zurückgeben können. Dass sie ganz normale Menschen sind. Vielleicht geht so bei den Leuten die Angst weg.“