Dieter Zetsche darf sich als Mann der Stunde fühlen. Daimler hat im ersten Halbjahr eine Rendite von zehn Prozent erwirtschaftet. Der Konzern will Audi und BMW überholen. Und dann? Darauf gibt es keine Antwort.

Stuttgart - Die Wegmarke ist erreicht. Daimler hat in den ersten sechs Monaten des Jahres mit der Marke Mercedes eine Rendite von zehn Prozent erwirtschaftet – von jedem Euro Umsatz bleibt also ein Gewinn von zehn Cent. Im Wettlauf der deutschen Premiummarken ist Daimler-Chef Dieter Zetsche damit seinem Ziel, die Wettbewerber BMW und Audi bis 2020 zu distanzieren, ein gutes Stück näher gekommen – sofern die Konkurrenz nicht noch bessere Zahlen vorlegt (was unwahrscheinlich ist). Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer. Zetsche selbst spricht davon, dass die zehn Prozent dauerhaft erreicht werden sollen. Da sind die Monate Juli bis September schon die nächste Bewährungsprobe, denn das dritte Quartal gilt traditionell als eher schwach.

 

Trotzdem darf sich Zetsche mit diesen Zahlen im Rücken in der Branche als Mann der Stunde fühlen. All die Zweifel, die durch die sehr holprig verlaufene Verlängerung seines Chefvertrags vor fast zweieinhalb Jahren versinnbildlicht wurden, sind verflogen. Der erste Mann im Konzern kündigt nicht nur bessere Zeiten an, sie stellen sich auch ein. Und das haben die Anleger an der Börse honoriert. Seit Februar 2013 hat sich der Kurs mehr als verdoppelt.

Die rein betriebswirtschaftliche Betrachtung überzeugt freilich nicht: der Größte, der Profitabelste – ist das wirklich alles, was Daimler, den Erfinder des Automobils, umtreibt? Dass Wachstum unverzichtbar ist für den Erhalt der Arbeitsplätze, steht außer Frage. Aber welche Ziele der Konzern hat, wenn Audi und BMW eines Tages distanziert sein werden, ist unklar.

Die wirkliche Herausforderung für die Stuttgarter liegt nicht darin, den deutschen Konkurrenten den Auspuff zu zeigen. Zetsche hat das Jahr 2015 zum Jahr des Geländewagens erklärt. Diese Autos bringen den Herstellern stattliche Renditen, sind aber heikel mit Blick auf die Emissionsziele. Gewiss wird in diesem Segment mittlerweile abgerüstet. Aber das macht aus Modellen wie GLC, GLE und GLS, die alle noch für dieses Jahr geplant sind, keine Sparmobile. Die Emissionsnormen werden in Brüssel gemacht, wo die Deutschen mit ihrer Dominanz in der Oberklasse kaum Verbündete haben. Da hilft es nichts zu wissen, dass dahinter handfeste italienische und französische Industriepolitik steckt und nicht die aufrechte Sorge um die Umwelt.

Deshalb ist es beunruhigend, dass in jüngerer Zeit so wenig von Fortschritten bei Autos zu hören ist, die überhaupt kein Kohlendioxid emittieren, weil sie elektrisch fahren. Die Stuttgarter setzen mit Vehemenz auf den Plug-in-Hybrid, der sozusagen ein rollender Kompromiss ist – er hat sowohl Verbrennungs- als auch Elektromotor an Bord, was sich beim Gewicht niederschlägt. Aber es wird nicht reichen, wenn S-Klasse-Fahrzeuge in der Stadt ein paar Kilometer elektrisch fahren.

Auch wenn der Elektro-Smart von Daimler gut unterwegs ist, so ist er angesichts des Preises doch kein Auto, das die Massen für die E-Mobilität begeistert. Da ist die teure Batterie mit ihrer zu geringen Reichweite nach wie vor das größte Hindernis. Und leider deutet nichts darauf hin, dass mit Vehemenz an der Beseitigung dieses Defizits gearbeitet wird. Im Gegenteil: aus der Serienfertigung steigt der Konzern erst einmal aus. Nur unwesentlich besser sieht es bei der Brennstoffzelle aus. Es bleibt zwar beim grundsätzlichen Bekenntnis, aber Zetsche vermeidet zeitliche Festlegungen, die es früher schon einmal gab.

Leider fehlt der unternehmerische Mut, größere Wagnisse einzugehen. Dass trotz immer höherer Gewinne, die die Aktionäre erfreuen sollen, nach staatlichen Subventionen für die Mobilität der Zukunft gerufen wird, ist schlicht peinlich. Wenn in der Zukunft die breite Palette emissionsarmer und -freier Autos fehlt, dann werden sich auch die Aktionäre abwenden – und zwar schnell, ohne mit der Wimper zu zucken.