Ein Stuttgarter mit psychischer Erkrankung hat ein ungewöhnliches Quiz entwickelt, das in den Werkstätten des Rudolf-Sophien-Stifts produziert wird. Seine Zwangsstörungen haben ihn bei der Entwicklung des Spiels nicht nur behindert.

Stuttgart - Es gibt nur wenige Dinge in seinem Leben, auf die Karl K. (Name geändert) stolz ist. QuiPo gehört dazu. So heißt das Spiel, dass er in mühevoller Arbeit entwickelt hat. Drei Jahre hat er gebraucht. Und er ist fertig geworden. Das ist nicht selbstverständlich. Bei vorherigen Spielideen, von denen er einige hatte, ist er nie bis zum Ende gekommen. Immer hat er dann doch in einem Anfall die Regeln wieder verändert. Aber QuiPo gibt es.

 

In einer exklusiven lilafarbenen Box steht das Spiel vor Karl K.: 550 Fragekarten stecken in dem Kasten, zwei Pokerblätter und die Anleitung. QuiPo ist eine Mischung aus Quiz, Poker und Memory, was allerdings komplizierter klingt als es tatsächlich ist – im Vordergrund stehen die Quizfragen (siehe „Die Regeln in gekürzter Form“ am Ende des Texts). Sein Vorgesetzter in der Werkstatt des Rudolf-Sophien-Stifts habe ihn gefragt, ob er ein Spiel für sie entwickeln könne, erzählt Karl K. Die Vorgabe war: Die Regeln müssen möglichst einfach sein. Das habe ihm geholfen, sich selbst zu bremsen.

Wie ein Hase- und Igel-Spiel im Kopf

Schon in seiner Kindheit hat es mit den Zwangsstörungen angefangen. Dennoch schaffte Karl K. das Abitur. Er ist ein kluger Mann – doch sobald er Druck spürt, geht es los mit den Zwängen. In der Werkstatt führt Karl K. nur einfachste Arbeiten aus. Er steckt Plastikteile zusammen, befüllt Tüten mit Material. „Für mich ist das genau das richtige“, sagt der 45-Jährige. Er habe eine Tagesstruktur, schaffe etwas und habe soziale Kontakte, die ihm sonst komplett fehlen würden.

Die Zwangsstörungen vergleicht er mit einem Hase- und Igel-Spiel, das im Kopf abgeht. „Und man verliert immer.“ Als Kind hatte er zum Beispiel viele Zwangsgedanken, die mit dem Thema Tod verbunden gewesen sind. Nur mit Ritualen – das Hand vor den Mund schlagen zum Beispiel – hat er damals geglaubt zu verhindern, dass ein ihm wichtiger Mensch sterben muss.

Zwangsstörungen haben bei Entwicklung nicht nur behindert

Zehn Klinikaufenthalte hat er insgesamt hinter sich. Der letzte ist drei Jahre her. Als Folge der Zwangsstörungen hat er Schmerzen, weil er sich so verkrampft. Im Gespräch lässt er sich nichts anmerken, aber die Muskelschmerzen seien immer da.

Für die Entwicklung von QuiPo ist seine Krankheit aber nicht nur hinderlich gewesen, sondern teilweise sogar von Vorteil. „Jedes Spiel braucht eine Struktur und Regeln. Das kommt mir sehr entgegen“, erklärt er. Außerdem seien für die Entwicklung gute Ideen und Vorstellungsvermögen gefragt. „Darin bin ich sehr geübt. Schließlich stelle ich mir bei den Zwangsgedanken ständig irgendwelche Dinge vor“, sagt er. Auch konzentrieren könne er sich sehr gut.

Auch leichte Fragekarten sind dabei

Für QuiPo musste er Durchhaltevermögen beweisen: Insgesamt hat er sich nicht nur 550, sondern 1128 Quizfragen überlegt. Denn es ist möglich, die Erstausstattung zu erweitern. „Zwei Drittel der Fragen hatte ich im Hinterkopf“, erzählt er. Bei den anderen haben ihm das Lexikon. Wörterbücher und das Internet weitergeholfen. Am schwierigsten sei es gewesen, Worte zu finden, in denen sich Pik und Karo verstecken. „Da sind viele Fremdwörter dabei“, sagt er. Auf das Wort „Apikotomie“ dürften tatsächlich nur Zahnärzte gleich kommen – damit ist die operative Entfernung der Zahnwurzelspitze gemeint. „Aber es ist wichtig, dass auch Fragen dabei sind, die niemand wissen kann“, sagt Karl K. Diese werden dann im Spiel zu Memorykarten. Es gibt aber auch viele leichte Fragen bei QuiPo, damit Kinder mitspielen können. „(...) auf einen Streich“, zum Beispiel ist so eine leichte Frage – das hier der Begriff Sieben gesucht wird, können diese wissen.

Besonders stolz ist Karl K. auf die Antworten, in denen sich Begriffe verstecken. „Sambesiebene“ zum Beispiel (sieben) oder „Mundharmonikaromantik“ (Karo). Sie sind am schwersten zu finden gewesen.

Der Spieleerfinder kann selbst nicht spielen

Ein anderer Patient, der in der Druckvorstufe des Rudolf-Sophien-Stifts arbeitet, hat das Design des Spiels übernommen. „Der ist auch Perfektionist“, sagt Karl K. Nun wird QuiPo vom Rudolf-Sophien-Stift im Rahmen der Werkstattkunst vertrieben.

Karl K. würde sein eigenes Spiel selbst nicht spielen. Es wäre unfair, weil er die Fragen und Antworten schließlich alle gut kennt. Doch das ist nicht der Hauptgrund. „Wenn ich unter Wettbewerbsbedingungen spiele, explodieren meine Zwangsvorstellungen“, erklärt er. Statt alle paar Minuten, wie es für ihn normal ist, würden diese ihn dann alle paar Sekunden belasten. Aber die Vorstellung, dass andere Spaß haben an QuiPo, ist für ihn ein schönes Gefühl.

Die Regeln – in gekürzter Form:

Jeder Spieler bekommt fünf Pokerkarten auf die Hand und drei verdeckte Pokerkarten, die untereinander auf den Tisch gelegt werden. Ein Spieler liest die erste Fragekarte vor, zum Beispiel „Beim ersten Flug zum Mond waren (...) Astronauten beteiligt.“ Die Antwort lautet „drei“. Es reicht nicht, diese zu wissen – man muss die Drei auch auf der Hand haben. Jede Antwort ist ein Kartenwert – wie Bube oder Dame, die Zahlen oder Herz, Pik, Kreuz, Karo. Hat man die Antwort auf der Hand, kann man die Karte sichtbar neben eine der verdeckten Karten legen. Ziel ist, gute Poker-Reihen zu bilden.

Kann niemand antworten, wird die Antwort laut vorgelesen und die Karte verdeckt auf den Tisch gelegt. Sie wird zur Memorykarte und kann in einer späteren Runde beantwortet werden. Es reicht dann immer der Kartenwert, wie in diesem Fall drei. Im Fall von „Apikotomie“ aus dem Haupttext also „Pik“. So wird gewährleistet, dass auch schwierige Karten den Spielern eine Pokerkarte bringen können. Zum Abschluss werden alle verdeckten Pokerkarten aufgedeckt. Die jeweils beste Reihe zählt.

QuiPo ist ausgelegt für drei bis acht Spieler von 12 Jahren an. Es kostet 24,90 Euro und ist über www.werkstatt-kunst.de zu beziehen. Auf der Seite findet sich auch ein Erklärvideo.