In der zweiten Ausgabe des Polittalks „Absolute Mehrheit“ machen Stefan Raab und Pro Sieben verkappten Wahlkampf für die Liberalen.

Stuttgart - Die gute Nachricht vorweg: es war tatsächlich eine Frau, welche die zweite Ausgabe von Stefan Raabs Polittalk „ Absolute Mehrheit“ gewann – und nicht etwa Olli Schulz, der einzige Mann in der Runde. Kein Mensch weiß, was der Musiker auf Raabs Talksofa verloren hatte. Schließlich ging es am späten Sonntagabend um die Frauenquote, die Tugendrepublik und Mietexplosionen. Um Themen also, von denen Raab wohl dachte, sie seien eher femininer Natur, weshalb er vier weitgehend unbekannte Nachwuchspolitikerinnen eingeladen hatte. Doch entweder fand der Privatsender keine fünfte Frau aus der SPD oder der CDU, weil die Volksparteien einem Talkkonzept misstrauen, das darauf abzielt, dem Kandidaten mit den meisten Zuschauerstimmen eine sechsstellige Kopfprämie auszuzahlen. Oder aber den Sender Pro Sieben plagte die Angst, der „Wok-WM“-Präsentator könne sich womöglich nicht allein gegen die Damen durchsetzen und sei auf männliche Unterstützung angewiesen. Dass der Quotenmann Schulz in der Runde saß, änderte am Ergebnis letztlich aber wenig: Es gewann ausgerechnet die Kandidatin, die sich 110 Minuten lang durch entschiedenes Herumeiern ausgezeichnet hatte: Linda Teuteberg.

 

Die 31-Jährige, die vom Boulevard gern als „blonde FDP-Schönheit“ tituliert wird, durfte unverdrossen die Phrase vom Wettbewerb dreschen, der schon alles regeln werde – höhere Frauenanteile in den Chefetagen genauso wie bezahlbare Mieten. Und ja, vielleicht sogar den Niedergang des Chauvinismus. Mit dieser Meinung stand die Jungliberale zwar alleine da. Aber im Gegensatz zu ihr hatten die CSU-Vizegeneralsekretärin Dorothee Bär, die Bundestagsabgeordnete Yvonne Ploetz von den Linken und die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Katja Dörner, wenigstens keine Scheu, sich eindeutig zu positionieren – auch auf die Gefahr hin, damit anzuecken. Sogar Olli Schulz, Fernsehzuschauern besser bekannt als Sidekick der Pro-Sieben-Hoffnungsträger Joko und Klaas, brachte mehr Farbe in die Diskussion als die weiß-bebluste Vorzeigefrau. Resigniert gestand er, dass gegen die verbalen Übergriffe von Männern wie dem FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kein Kraut gewachsen sei. „Bei manchen Leuten muss man einfach abwarten, bis sie aussterben.“

Deutlich weniger junge Zuschauer als bei der Premiere

Doch es liegt wohl in der Natur dieses Formats, dass Linda Teuteberg die Show mit 39,9 Prozent der Zuschauerstimmen als Gewinnerin verließ. Dies war schon der zweite Sieg für die Liberalen. In der ersten Ausgabe hatte Wolfgang Kubicki das Rennen gemacht. Mit 42,6 Prozent der Zuschauerstimmen hatte der FDP-Politiker zwar auch die absolute Mehrheit verpasst. Die 100 000 Euro, die er nur in diesem Fall kassiert hätte, wanderten deshalb in einen Jackpot. Aber dafür war sein Sieg Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die den neuen Polittalk schon vor der Ausstrahlung als das entlarvt hatten, was er ist: ein Freifahrtsschein für Populisten. Raab, der jetzt fürs TV-Kanzlerduell im Gespräch ist, war mit dem Vorsatz angetreten, er wolle alles anders machen als die etablierten Talker wie Günther Jauch, Anne Will und Co., um die Jugend für die Politik zu interessieren. Das war ihm bei der Premiere noch gelungen. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen hatte er einen soliden Marktanteil von knapp 20 Prozent erreicht. Das Interesse der Jungen hielt nicht lange an: Die zweite Sendung verfolgten nur noch 9,1 Prozent der Zuschauer in dieser Altersgruppe.

Tatsächlich ist Raabs Talk so weit vom Bildungsauftrag entfernt wie die FDP von einer weiteren Regierungsbeteiligung. Hier werden keine Argumente ausgetauscht, sie werden abgefeuert – mit freundlicher Unterstützung von Pro Sieben. Das Ergebnis des Televotings beeinflusste der Sender mit Einspielern, welche die Frauenquote ins Lächerliche zogen oder sexistische Übergriffe verharmlosten.

„Dies ist keine Miss-Wahl“, hatte der Pro-Sieben-Nachrichtenchef Peter Limbourg versprochen, der Kopf hinter dieser Sendung. Nach der Kür von Linda Teuteberg war man sich da allerdings nicht mehr so sicher.