Rachida Dati ist eine schillernde Politikerin. Jetzt will sie einem schwerreichen Unternehmer gerichtlich nachweisen, dass er mit ihr ein Kind gezeugt hat. Doch das ist in Frankreich nicht so einfach.

Paris - Eine gefühlte Ewigkeit ist es her, dass Rachida Dati nach den Sternen gegriffen, ja sie vom Himmel geholt hat. Wie im Traum sei es ihr vorgekommen, hat sie kürzlich erzählt. Vor fünf Jahren ist das kleine Wunder wahr geworden: Sie, das Vorstadtkind, aufgewachsen mit elf Geschwistern am Rand von Chalon-sur-Saône, der Vater ein marokkanischer Maurer, die Mutter eine algerische Hausfrau, war im Mai 2007 auf Geheiß des Präsidenten Nicolas Sarkozy an die Spitze des französischen Justizministeriums gerückt.

 

Aber es war kein Traum. Die Schönste im Kabinett war sie obendrein. Auf atemberaubend hohen Absätzen stolzierte sie durch Amtsstuben und Geschäftsstellen. Ein Liebling des Boulevards: Dati zierte die Titelblätter der Magazine und Gazetten, trieb mit feuerroten Lippen und aufreizendem Blick aus schwarz schimmernden Augen Auflagen in die Höhe. Als Sinnbild gelungener Integration wurde sie herumgereicht, als Beweis dafür, dass es in Vorstädten gestrandete Immigrantenkinder ganz nach oben bringen können.

Rachida Dati macht heute andere Schlagzeilen

Fünfeinhalb Jahre später scheint es, als sei das alles doch nur ein Traum gewesen – einer, dem ein schmerzliches Erwachen folgt. Dati belebt zwar noch immer den Boulevard. Aber auf ganz andere Weise: Sie macht nun Schlagzeilen als gestürzte Ikone; als allein erziehende Mutter, die der Richterschaft nicht mehr den Marsch bläst, sondern ihr ausgeliefert ist.

Hilfe suchend hat sich die 46-Jährige an das Amtsgericht von Versailles gewandt, von dem sie sich Beistand im Streit mit dem Vater ihrer dreijährigen Tochter Zorah erhofft oder jedenfalls Hilfe im Streit mit dem Mann, den sie für den Vater hält: Dominique Desseigne. Der 68-Jährige gebietet über 16 Luxushotels, 90 Restaurants und 39 Spielkasinos. Dati will, dass das Gericht die Vaterschaft des schwerreichen Unternehmers feststellt.

Der schwerreiche Unternehmer wehrt sich

Doch der vor den Kadi zitierte Desseigne wehrt sich: Er verweigert den DNA-Test. Der Unternehmer schlägt zurück, und zwar unter der Gürtellinie. Der Franzose, der mit stets gebräuntem Teint und blitzblauen Augen problemlos als Weltumsegler oder Playboy durchginge, stellt die Ex-Ministerin öffentlich als Flittchen da. Acht Liebhaber habe Dati gehabt, als ihre Tochter Zorah 2008 gezeugt wurde, erzählt Desseigne und nennt Namen. Oder besser: er lässt sie nennen. Desseignes Anwalt hat das übernommen.

Vor dem Mitte der Woche eröffneten Verfahren hat er dem „Magazin M“ der Zeitung „Le Monde“ offenbart, wer seiner Erkenntnis nach in der fraglichen Zeit das Bett von Madame le Ministre teilen durfte: einer der Brüder Sarkozys, der frühere spanische Regierungschef José-Maria Aznar, ein Minister, ein Konzernchef, ein Fernsehmoderator, ein Würdenträger aus Katar und der Erbe eines Luxusimperiums . . . Die Botschaft, die zwischen den Zeilen dieser anwaltlichen Liebhaberinventur aufscheint, ist allzu deutlich: Wieso sollte sein Mandant einer solchen Schlampe zu Gefallen sein und sich einem Vaterschaftstest unterwerfen?“.

Das Leben als Frau in Frankreich

Und wieder mag Dati glauben, zu träumen. Alte Zeiten scheinen wiederauferstanden, in denen selbst alleinstehende Frauen keuschem Lebenswandel verpflichtet waren, während Männer ungeachtet ihres Familienstandes nach jedem Rockzipfel greifen durften.

Ein erfolgreicher Politiker ist in Frankreich ein verführerischer Politiker; er liebt und wird geliebt, schreiben Christophe Deloire und Christophe Dubois in ihrem Bestseller „Sexus Politicus“. Für Frauen in der Politik gilt das ihrer Erkenntnis nach nicht. Politikerinnen geraten schnell in den Ruch des Flittchens, insbesondere wenn sie wie Dati als selbstbewusste Single ein ausschweifendes Liebesleben haben. Hinzu kommt, dass nach französischem Recht bis heute kein Mann gezwungen werden kann, Zweifel an seiner Vaterschaft mit Hilfe eines DNA-Tests aus der Welt zu schaffen.

Dati ist nicht dafür bekannt, schnell aufzugeben

Aber selbst wenn Dati am 4. Dezember, dem Tag der Urteilsverkündung, leer ausgehen sollte: Sie ist niemand, der aufgibt. Als sie am 27. November 1965 zur Welt kam, schien ihr ganzes Leben ein aussichtsloses Unterfangen. Die Eltern waren aus dem Maghreb eingewanderte Analphabeten. Dati konnte eigentlich nur scheitern.

Zielstrebig, ja besessen begehrte sie gegen ihr Schicksal auf. Die Muslimin tat sich auf einer katholischen Privatschule mit Kenntnissen des Katechismus hervor. Sie studierte Jura, knüpfte Kontakte zu potenziellen Gönnern, schrieb Spitzenpolitikern und Konzernchefs, strickte Netzwerke. Sie gewann die Gunst Sarkozys, dem sie erst im Innenministerium als Beraterin diente und später im Präsidentschaftswahlkampf als Sprecherin.

Europaabgeordnete, Bürgermeisterin, Wahlhelferin

Auch wenn Dati mit ihrer bisweilen selbstherrlichen Art Teile der Richterschaft gegen sich aufbrachte und Sarkozy der Ministerin im Juni 2009 überdrüssig wurde: Sie stürzte nicht ins Bodenlose. Dati wurde Europaabgeordnete, Bezirksbürgermeisterin des siebten Pariser Arrondissements, stand Sarkozy im Frühjahr wieder bei Wahlkampfauftritten zur Seite.

Trostpflaster waren das für die Verletzungen, die sie bei der Vertreibung aus dem Ministerium davongetragen hatte – aber auch Mutmacher, die halfen, den Blick wieder zu heben. Ein Vertrauter Datis hat einmal gesagt, man solle sie sich lieber nicht zur Feindin machen. Der reiche Unternehmer Dominique Desseigne hat genau das getan.