Was müsste getan werden, damit mehr Menschen aufs Fahrrad umsteigen?
Rein technisch vielleicht gar nicht so viel. Wir müssen diejenigen ermutigen, die sich bisher auf dem Rad nicht in die Stadt trauen, weil Sie Gefahren fürchten. Das A und O ist die Sicherheit, die muss gewährleistet sein – und das setzt eine gute Infrastruktur voraus. Wir müssen unsere Straßen umprogrammieren. Wir brauchen sichere Radspuren ohne Autoverkehr. Dafür reicht eigentlich ein bisschen Farbe. Die größere Herausforderung ist der kulturelle Wandel. Wir müssen das Auto aus den Köpfen der Menschen heraus bekommen. Und genau deshalb rotten sich die Stuttgarter Radfahrer jeden Monat zur Critical Mass zusammen, um zu zeigen, dass das Fahrrad zu unserer Mobilitätskultur dazugehört! Wir zeigen: Radfahren in der Stadt macht Spaß und ist sinnvoll.
Was wären die spürbarsten Folgen für die Stadt, wenn mehr Menschen mit dem Rad unterwegs wären?
Mehr Radfahrer bedeuten weniger Autos und weniger Stau. Zudem hätten wir bessere Luft, weniger Lärm und weniger gefährliche Straßen. Die meisten Stadtbewohner werden die Frage, ob sie lieber in einer freundlichen, gesunden und lebenswerten oder eher in einer autogerechten Umgebung leben wollen, eindeutig beantworten.
Wie lässt sich dann der Hass erklären, der einem als Radfahrer in der Stadt teilweise entgegenschlägt?
Sprechen wir nicht von Hass, sondern von Unverständnis. Die Ursache ist in einer fehlgeleiteten Stadtplanung zu suchen. Eine Stadt, die seit Jahrzehnten nur Autofahrer und Fußgänger kennt, hat einfach keine Ahnung, wie sie mit dem vermehrten Auftauchen von Radfahrern umgehen soll. Radfahrer werden auf zerstückelte Radwege oder noch schlimmer in Fußgängerbereiche geschickt. Das führt zwangsläufig zu Konflikten. Fußgänger und Radfahrer passen nicht zusammen. Und auf der Straße sind bislang noch wenige Radler unterwegs, sodass manche Autofahrer sie als Störenfriede in ihrem Revier ansehen.
Was sagen Sie zu dem Argument, Stuttgart sei zu bergig, als dass eine entscheidende Zahl der Einwohner dauerhaft mit dem Rad fahren könnte?
Es liegt nicht an den Bergen, es liegt an der Infrastruktur. Nicht jede Fahrt führt vom Marktplatz bis hinauf zur Waldau hoch. So ein paar Höhenmeter in der Stadt sind nicht das Problem, eher eine Chance: Stuttgart könnte schon längst die Modellstadt für E-Mobilität sein. Der Pedelec-Boom hat gerade erst begonnen. Wer aber doch mal aus dem Kessel rausfahren will, der muss sich gut auskennen, denn die komfortablen Steigungsstrecken wie beispielsweise die Neue Weinsteige sind komplett vom Autoverkehr besetzt – warum eigentlich? Das ist eine klasse Radstrecke, bergab sowieso und bergauf mit dem Pedelec, ohne weiteres zu bewältigen. Das einzige Problem sind die vier Autospuren plus Parkstreifen.
Was haben Städte wie Kopenhagen besser gemacht als Stuttgart?
Sie haben früh erkannt, dass sie den Radverkehr gezielt fördern müssen. Es reicht nicht, Radfahrern den Platz auf der Straße zu geben, der neben dem Autoverkehr noch übrig bleibt. Kopenhagen liebt seine Radler und bevorzugt sie gegenüber dem Auto. Bei uns ist das leider umgekehrt. Und nebenbei, wer sich als Verkehrsteilnehmer ernst genommen fühlt, der verhält sich auch korrekt. In Kopenhagen gibt es keine Kampfradler. Nirgends.