Mitglieder des alternativen Radforums haben Markierungen an der Böblinger Straße in Stuttgart-Kaltental angebracht. Sie sollen Radfahrer und Autofahrer auf eine nicht zu unterschätzende Gefahr hinweisen.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Kaltental - Eigentlich ist der Radfahrstreifen entlang der Böblinger Straße etwas Positives, sagt Thijs Lucas. Er soll den Radfahrern Schutz bieten. Ein Problem gibt es aber: Der Streifen ist zwischen den fahrenden und den parkenden Autos angelegt. Und auch letztere sind eine Gefahr für die Pedaleure. Denn wenn eine Autotür plötzlich aufgeht, haben die Radler oft keine Chance mehr zu bremsen. „Bei einer Kollision mit einer offenen Autotür kann es zu schweren Verletzungen kommen, insbesondere wenn die Radfahrer bergab relativ schnell unterwegs sind“, sagt Lucas.

 

Im alternativen Radforum, welches Thijs Lucas vor wenigen Monaten initiiert hat, kam den Mitgliedern die Idee, temporäre Markierungen auf dem Radweg aufzubringen. Sie sollen sowohl die Autofahrer als auch die Radfahrer zu mehr Aufmerksamkeit anregen. „Vielen Radfahrern ist nicht bewusst, wie gefährlich plötzlich öffnende Autotüren sein können. Sie haben eher Angst vor dem fließenden Verkehr als vor den parkenden Autos“, sagt Lucas. Immer wieder gebe es in Stuttgart Unfälle oder zumindest heikle Situationen. In Berlin, sagt Lucas, sei bereits ein Radfahrer bei einer solchen Kollision ums Leben gekommen. „Stuttgart möchte den Radverkehr fördern und immer mehr Menschen aufs Rad bringen. Doch dadurch steigt auch die Gefahr für solche Unfälle“, sagt Lucas.

Mehr Vorsicht beim Öffnen der Autotür

Drei Markierungen haben die Radaktivisten vor gut zwei Wochen an der Böblinger Straße angebracht, zwei in Fahrtrichtung Vaihingen, eine in Fahrtrichtung Stuttgart-Süd. „Hier sind viele Radfahrer unterwegs, alle paar Minuten fährt jemand vorbei“, sagt Lucas. Der 31-Jährige pendelt zwischen Vaihingen und der Stuttgarter Innenstadt und fährt fast jeden Tag mit dem Rad die Böblinger Straße rauf und runter. Die weißen Hinweise sollen die Fahrradfahrer dazu bringen, aufmerksamer an den parkenden Autos vorbeizufahren. Die Autofahrer hingegen sollen mehr Vorsicht beim Öffnen ihrer Türen walten lassen. „Wenn jeder vor dem Türöffnen über seine Schulter nach hinten blicken würde, könnten sich schon viele brenzlige Situationen vermeiden lassen“, sagt Lucas.

Bislang seien beim alternativen Radforum meist positive Rückmeldungen eingegangen. Insbesondere in den sozialen Medien würden die Markierungen gelobt. „Wir haben sogar eine Anfrage aus Mannheim bekommen, ob man die Hinweise dort kopieren dürfe“, sagt Lucas.

Das alternative Radforum wurde im Mai gegründet. „Wir sind Anlaufstelle für alle, die mit Radfahren zu tun haben“, sagt Lucas. Egal ob junge Eltern oder Sportler, Rentner oder Radaktivisten. Mit dem städtischen Radforum sei der Austausch da. Dessen Ziel ist es, die Bürger in die Radverkehrsförderung einzubeziehen. Zweimal im Jahr tagt das städtische Radforum in Plenumssitzungen. Die Mitglieder des alternativen Radforums treffen sich einmal im Monat an wechselnden Orten. „Wir sind allen zugänglich. Wir planen keine Infrastruktur, aber wir schauen, wie wir in der Öffentlichkeit mehr Bewusstsein für den Radverkehr in Stuttgart schaffen können“, sagt Lucas. 30 Interessenten hat das Konzept des Radforums in den ersten Monaten bereits angesprochen.

Eigentlich sind die Markierungen unzulässig

Die Markierungen sind zwar robuster als Straßenmalkreide, gehen aber trotzdem nach einiger Zeit wieder weg. Die Stadt drückt ein Auge zu. „Es ist prinzipiell untersagt, dass Bürger in Eigenregie Straßenschilder aufstellen oder Straßenmarkierungen anbringen“, erläutert Sven Matis, der Leiter der Pressestelle. Die Markierungen in Kaltental sind damit eigentlich nicht zulässig. „Wären die Markierungen dauerhaft, würden die Mitarbeiter vom Tiefbauamt sie entfernen“, sagt Matis.

Die Kaltentaler Abfahrt und die Böblinger Straße sind in den Augen der Stadt kein Unfallschwerpunkt. „Wenn alle Verkehrsteilnehmer, wie in der Straßenverkehrsordnung angegeben, ‚ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht’ walten lassen, ist das ausreichend, um Unfälle zu vermeiden“, sagt Matis. Weder das Tiefbauamt noch die Straßenverkehrsbehörde würden die Verkehrssituation in Kaltental als besonders gefährlich einstufen.

„Eigentlich sollte die Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer selbstverständlich sein“, sagt der Leiter der Pressestelle. „Trotzdem ist es gut, wenn die Autofahrer und Radfahrer noch einmal auf die Gefahr durch sich öffnende Autotüren aufmerksam gemacht werden“, sagt Matis.