Der ADFC beklagt, dass zügiges Radfahren in Böblingen unmöglich ist. In der Tat ist das einzig Konstante bei einer Radtour die Unterbrechung.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Roland Schmitt steigt vom Rad. „Das muss ich fotografieren“, sagt er. An einem provisorisch aufgestellten Mast hängen Verkehrsschilder. Eins davon ist das weiße Fahrrad auf blauem Grund. Es signalisiert die Pflicht, den Radweg zu benutzen. Dieser Pflicht kann niemand nachkommen. Denn der Weg endet zwei Meter hinter dem Schild an einem Zaun, der vor dem Sturz in eine Baugrube schützt.

 

Das passt zum Thema dieser Tour. Schmitt ist der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) für Böblingen und Sindelfingen. Jüngst ist er mit Klagen über Kuriositäten auf einem 50 Meter langen Stück Radweg in die Schlagzeilen gekommen, aber das sind nur 50 Meter von etlichen Kilometern. Die Stadt Böblingen scheint Radfahrer nicht nur mit jenem versehentlich aufgehängten Verkehrsschild zu veräppeln. Das Radfahren „ist in Sindelfingen nicht viel besser, aber die Stadtverwaltung ist viel aufgeschlossener“, sagt Roland Schmitt. Im Böblinger Rathaus sei zwar ein Konzept für den Radverkehr ausgearbeitet worden, „aber das verstaubt in der Schublade“.

Schmitt wurde ADFC-Mitglied aus Not

Vor vier Jahren ist er dem Fahrradclub beigetreten, aus einer Not heraus. Er arbeitete damals auf dem Stuttgarter Killesberg. Bei der Autofahrt dorthin steckte er stets im Stau. Um die Strecke mit Bus und Bahn zurückzulegen, empfiehlt der Verkehrsverbund einmaliges Umsteigen mit 20 Minuten Fußmarsch oder zweimaliges Umsteigen mit zehn Minuten Fußmarsch. „Es blieb eigentlich nur das Fahrrad“, sagt Schmitt. So wurde er zum Alltagsradler, der das Fahrrad nutzt wie andere das Auto – und ebenso zügig wie die Autofahrer ankommen will.

Den Arbeitsplatz hat Schmitt gewechselt, den Weg zur Arbeit radelt er noch immer mit einem Pedelec. Die mit Elektromotorenkraft unterstützten Räder erreichen 25 Stundenkilometer, ohne dass dem Fahrer ein Tropfen Schweiß aus den Poren perlt. Ein Aufprall mit dieser Geschwindigkeit entspricht einem Sturz aus zweieinhalb Metern Höhe. In diesem Sinne scheint die Stadt besorgt um ihre Radfahrer, denn das einzig Konstante bei der Tour durch Böblingen ist die Unterbrechung.

Radwege beginnen oder enden im Nichts. Selten vergeht mehr als eine Minute, ohne dass Radfahrer an Ampeln absteigen, die Straße überqueren und auf der anderen Seite weiterradeln sollen. Eine solche Stelle ist an der Wolfgang-Brumme-Allee, der Hauptverbindung zwischen Böblingen und Sindelfingen. Radfahrer haben an der Ampel Gelegenheit nachzudenken, warum während der Wartezeit ihr Blick auf dem Autotempel Motorworld ruht. Allerdings fährt so gut wie jeder geradeaus auf dem Gehweg weiter, verbotswidrig.

Was für Fußgänger und Radler keine größere Gefahr birgt als an anderer Stelle. Um ein Radwegenetz vorzuweisen, hat die Stadt etliche Gehwege zu Radwegen erklärt. Der Gesetzgeber gebietet Radlern, auf ihnen zu fahren, aber nach den Vorgaben des Gesetzgebers sind sie dafür zu schmal. Zügige Fahrt ist unmöglich, überdies nicht zu empfehlen, denn Autofahrer rechnen nicht damit, dass Fußgänger mit 25 Stundenkilometern nahen. Schmitt hält an der Herrenberger Straße, auf der Seite, auf der das Radfahren verboten ist. Gegenüber warten Autofahrer an einer Tankstelle auf eine Lücke im Verkehr. „Nach rechts guckt natürlich keiner“, sagt Schmitt. In Stuttgart sind solche Gefahrenstellen gelegentlich sogar mit Ampeln gesichert.

Gefahren für Fußgänger und Radfahrer

Ein Stück weiter stadtauswärts droht ebenfalls Gefahr, von anderen Radfahrern. Der Weg ist breit genug, aber den Blick nach rechts versperrt eine Hecke. In sie sind Lücken geschnitten. Biegt hier ein Radfahrer im falschen Moment ein, ist der Zusammenstoß unvermeidbar.

Auf Schmitts Forderungen nach einem besseren Wegenetz lässt die Stadtverwaltung gewohnheitsmäßig wissen, es sei eben schwierig, eine fürs Auto entworfene Stadt fahrradgerecht umzubauen. Allerdings ist auch dort, wo dies möglich gewesen wäre, wenig Wille erkennbar. Die Straßen rund ums Einkaufszentrum Mercaden sind erst neu gebaut worden. Am Elbenplatz „hätte man eine absolut gute Radwegelösung machen können“, sagt Schmitt, „aber man hat Kurzzeitparkplätze vorgezogen“.

Auf der Rückseite des Einkaufszentrums trennt ein mehrere Meter breiter Pflasterstreifen die Auto-Fahrspuren. Richtung stadteinwärts werden die Radler auf die Straße verwiesen. Richtung stadtauswärts verläuft ein Gehweg neben einem gemischten Geh- und Radweg. Dazwischen stehen Pflanzenkübel. „Hier hätte es Platz ohne Ende gegeben“, sagt Schmitt. Er wurde für vieles genutzt, nicht für Radwege.

Die Tour endet auf der Tübinger Straße. Hier gäbe es Gelegenheit, guten Willen zu verbauen. „Das ist eine alte Bundesstraße“, sagt Schmitt. Der Verkehr fließt längst über eine Umfahrung, aber die Spuren sind noch immer so breit, als müssten sich über sie Autokolonnen wälzen. Was der ADFC-Vorsitzende beim Blick auf die Straße denkt, formuliert er diesmal freundlich: „Für den Radverkehr hat Böblingen viel Potenzial“.