Telefon-Hotlines sind die wirksamsten Folterinstrumente der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Doch es geht auch anders: StZ-Kolumnist Erik Raidt schreibt über eine Geburtsberatung der Stuttgarter Feuerwehr.

Stuttgart - Die Telefon-Hotlines sind eine der unbarmherzigsten Strafen der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Zahllose Schrankaufbauer und Internetsurfer sind aus ihren Warteschleifen nie wieder aufgetaucht, obwohl die Telekom regelmäßig an ihren Knotenpunkten kontrolliert, ob sich Kunden darin verheddert haben. Ganze Jahrgänge von Musiktherapeuten beschäftigen sich damit, ihren Patienten beizubringen, dass Mozarts Kleine Nachtmusik ursprünglich eine heitere Komposition war und nicht dazu diente, Menschen am Telefon zu foltern.

 

Ethnologen rätseln darüber, ob die Telefon-Hotlines in Wahrheit nur deswegen erfunden wurden, um Menschen aus Stuttgart einmal mit Mitbürgern aus Plauen oder Chemnitz bekanntzumachen, die dort in Callcentern arbeiten. Leider wächst in den Gesprächen über den korrekten Einsatz von Lüsterklemmen und Milchaufschaumdüsen oft nicht zusammen, was zusammengehört: Erst siezt man sich, dann missversteht man sich, und am Ende heißt es: „Du mich auch!“

Gonzalo tobt, die Menschen klingeln Sturm

Im Gegensatz zu allen üblichen Erfahrungen ist der Branddirektion der Stuttgarter Feuerwehr am späten Dienstagabend ein Beratungscoup gelungen: Während das Sturmtief Gonzalo durch die Stadt tobte, Dächer abdeckte und Äste von den Bäumen riss, hatte eine Familie ganz andere Probleme. Die Feuerwehr im O-Ton: „Hier ist zu erwähnen, dass mitten in der Abarbeitung der Sturmeinsätze eine einsetzende Geburt über den Notruf 112 gemeldet wurde.“

In gewöhnlichen Hotlines wäre die Sache so abgelaufen. 1. Es läuft die Kleine Nachtmusik. 2. Eine Stimme meldet sich: „Haben Sie einen Augenblick Geduld. Unser nächster freier Kundenmitarbeiter . . .“ 3. „Wie oft spüren Sie die Wehen? Drücken Sie die 1 für . . .“ 4. „Vielen Dank. Begeben Sie sich in eine bequeme Position. Unser nächster freier Mitarbeiter ist gleich . . .“ 5. „Ist das Köpfchen bereits zu sehen? Dann drücken Sie bitte die 7.“ 6. „Leider haben Sie das Zeitlimit überschritten. Bitte probieren Sie es später noch einmal.“

Baby schneller da als der Rettungswagen

Bei der Stuttgarter Branddirektion lief die Sache anders: Obwohl die Menschen während des Unwetters Sturm klingelten, blieb der Mann von der Baby-Hotline cool. Oder wie es die Feuerwehr ausdrückt: „Auch dieses Ereignis wurde parallel und professionell durch einen Leitstellendisponenten am Telefon abgefragt – und, noch während die Rettungskräfte unterwegs waren, die Eltern bei der Geburt angeleitet.“ Das Ergebnis der telefonischen Beratung: das Baby war schneller da als der Rettungswagen. Ob es womöglich Gonzalo heißt, wurde nicht bekannt.

Herzlichen Glückwunsch! Erik Raidt