Im Europaviertel entsteht ein neues Bürogebäude. Das „Europe-Plaza“ wird bereits vor dem ersten Spatenstich in feinster Investorenprosa besungen. StZ-Kolumnist Erik Raidt schwärmt auch schon davon. Zumindest ein bisschen.

Stuttgart - Europa ist schön: Die Griechen können nicht zahlen, die Briten wollen nicht, und die Deutschen stehen angesichts dieser Umstände vor einem kontinentalen Nervenzusammenbruch. Ungeachtet dessen nimmt die europäische Idee in keiner anderen Stadt solche Formen an wie in Stuttgart. Stuttgart hat nicht nur das Europaviertel, sondern bald auch ein Bürogebäude namens „Europe Plaza“.

 

Büros sind seit jeher Brutstätten bedeutender Philosophieschulen des Abendlandes gewesen. Philosophiert wird beispielsweise über den Speiseplan der Betriebskantine, den nächsten Brückentag oder die neue Frisur der Kollegin. Im „Europe Plaza“ hat die Philosophie bereits vor dem ersten Spatenstich eine Heimat gefunden. Das neue Bürogebäude wird auf der Projekthomepage von einigen der begabtesten Autoren der neuen deutschen Investorenprosa besungen:

„Staunen ist ein überraschendes oder beeindruckendes Erlebnis für einen Menschen. Manchmal auch beides zugleich. Wenn aus einem Sämling sich eine Pflanze entwickelt, aus einer einfachen Skizze ein Gebäude entsteht . . ., kann man aus dem Staunen schnell ins Schwärmen geraten.“

Wie eine Knospe die Morgensonne erwartet

Der Bürodichter trifft in dieser Passage einen naturbejahenden Grundton, der die Einflüsse der Zivilisation nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung begreift. Die Wortwahl lässt Bezüge zum Naturalismus und poetischen Realismus erkennen. Soweit die Fast-Food-Interpretation fürs Deutsch-Abitur. Und nun zu einem weiteren Absatz der Investorenprosa, der den Menschen in seinem emotionalen Empfinden gegenüber seiner Umwelt beschreibt:

„Jeder lebt Freude auf seine Weise aus, jeder empfindet sie anders. Freude können Kleinigkeiten bereiten: Die erste Frühlingsblüte am Morgen, ein anschließender Spaziergang und das darauf folgende interessante Gespräch mit Geschäftskunden im lichtdurchfluteten Atrium. Dazu eine herrlich duftende Tasse Kaffee.“

Wenn solche Texte dein Hirn durchfluten, freust du dich auf das neue „Europe-Plaza“, so wie eine Knospe die Morgensonne erwartet. Vorher allerdings wird man sich das Stuttgarter Europaviertele weiter schöntrinken müssen.

Prosaische Grüße, Erik Raidt