„Zukunftsweisende Quartiersentwicklung im globalen Kontext“: Stuttgarts Shoppingzentrum Milaneo ist in Cannes ausgezeichnet worden. StZ-Kolumnist Erik Raidt schreibt über schönste Investorenprosa.

Stuttgart - Stuttgart verkörpert seit Langem in nahezu allen Bereichen Weltspitzenklasse. Wir leben in der saubersten, kinderfreundlichsten und sichersten Stadt, in der mit den besten Feinstaubwerten, den schönsten Staus, den herrlichsten Baustellen. Und in der mit dem heißesten Shoppingzentrum aller Zeiten. In Cannes ist das Milaneo auf einer Immobilienmesse nun als „Best Futura Mega Project“ ausgezeichnet worden. Gerüchten zufolge hat sich das Shoppingzentrum in der Endausscheidung gegen eine Skisprungschanze in den Vereinigten Arabischen Emiraten und ein Zentrum für internationale Völkerfreundschaft in Nordkorea durchgesetzt.

 

Die Jury pries das neue Einkaufszentrum am Mailänder Platz, es stehe für eine „zukunftsweisende Quartiersentwicklung im globalen Kontext“. Dieses Urteil im besten Stil jesuitischer Bescheidenheit erscheint keinesfalls übertrieben, weil das Milaneo eine Mischung aus Arbeiten, Wohnen und Einkaufen anstrebt, die deutschlandweit einmalig ist und nur hier exklusiv zur Anwendung kommt. Gut, höchstens noch in Wattenscheid, Erkenschwick, Chemnitz und anderen Metropolen. Arbeiten, wohnen und einkaufen – so lautet der Dreisatz für Investorenprosa, die beschreibt, wie Städte schöner werden.

Aufgeschäumt durch Best Futura Megapearls

Stuttgart wird dank dem Milaneo noch mehr Weltstädtle, aufgeschäumt durch Best Futura Megapearls. Der globale Kontext ist rund um das aus dem Matsch emporwachsende Shoppingzentrum schon heute unübersehbar, liegt es doch unweit der Osloer und der Kopenhagener Straße, auch der Pariser Platz ist nicht fern. Schon jetzt bezaubert das Europaviertel durch pure Magie: Auf dem trostlosen Pariser Platz in Stuttgart müsste man den Eiffelturm nachbauen, damit auch nur einem Menschen die Seine in den Sinn kommt.

Manchmal ist es besser, das Original zu vergessen. Das echte Milaneo steht in Mailand unweit des Doms: Die Galleria Vittorio Emanuele II. ist eine überdachte Einkaufsgalerie mit Fresken und Marmor, mit Stuck und Glasdach. Wenn Steine sprechen könnten, würde der Bau jedes Verwandtschaftsverhältnis zu seinem Stuttgarter Urenkel vehement abstreiten. Aber Steine schweigen, selbst im Baustellenwunderland Stuttgart. Das Milaneo wird öffnen, und niemand darf es ohne mindestens zwei prall gefüllte Plastiktüten in der Hand mehr verlassen. Der Wahnsinn trägt Prada und ist in Stuttgart Weltspitzenklasse.

Urbane Grüße, Erik Raidt