Die beiden Intendantinnen Marie Bues und Martina Grohmann haben in ihrer ersten Spielzeit einiges auf die Beine gestellt. Sie haben viel gestritten und bis zu 100 Stunden die Woche gearbeitet. Ein Interview.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart -

 
Sie haben kräftig gewirbelt: Marie Bues und Martina Grohmann, die beiden Intendantinnen des Theater Rampe, haben ihre erste Spielzeit hinter sich. Bevor sie aufräumen und sich in den Urlaub begeben, ziehen die beiden Theatermacherinnen Bilanz.
Frau Bues, Frau Grohmann, wie viele Stunden haben Sie im Durchschnitt gearbeitet?
Grohmann: Es geht mit Aufstehen los, wenn die ersten Nachrichten drängen – und geht mit allen Nebengesprächen bis kurz vor dem Schlafengehen. Ich glaube schon, dass es neunzig, hundert Stunden in der Woche sind. Die freien Tage kann man an zwei Händen abzählen.
Bues: Das ist schon ein Problem. Es waren fünf Festivals, das ist eine Mehrbelastung für das ganze Haus gewesen.
Hat sich dieser Einsatz gelohnt?
Bues: Es war für die erste Spielzeit gut und wichtig, so viel zu machen und das Haus zu überfordern – und die Zuschauer auch. Dadurch entsteht eine andere Aufmerksamkeit. Ein Überangebot zeigt eine Vielfalt an Dingen, die wir machen wollen. Jetzt können wir uns konzentrieren.
Wie ist das Publikum mitgegangen?
Grohmann: Eigentlich gut. Die Produktionen waren unterschiedlich verkauft. Bei Experimenten wie „Bouvard und Pecuchet“ und dem Vagabundenkongress gab es Formate, bei denen wir nicht wussten, wie viel Zuspruch wir haben werden. Aber auch da hat sich ein interessiertes Kernpublikum gefunden, das nicht besonders groß war, aber bereit, sich auseinanderzusetzen. Das ist eine andere Qualität von Veranstaltung, aber wertvoll in der inhaltlichen Auseinandersetzung.
Hat sich das klassische Theater überlebt?
Bues: Nein, überhaupt nicht. Das ist immer noch der Kern unseres Geschäfts. Meine Inszenierungen waren vom Format her Inszenierungen mit Text und Schauspielern. Aber ich fand die Abwechslung sehr schön – Inszenierungen klassisch auf der Bühne und dann der Vagabundenkongress, der ein ganz offenes Format war. Da kamen Leute, die sonst nicht ins Theater gekommen wären. Diese Abwechslung ist sehr inspirierend, auch für mich als Regisseurin.
Ist das Publikum jünger geworden?
Bues: Es hat sich mehr gemischt. Klar sind welche abwandert, aber ein Kernpublikum ist noch da, das den Ort liebt und diese Art von Autorentheater mag. Und es haben sich Jüngere dazugesellt, über die „Rakete“ und die Kunststudenten, die dort arbeiten. Die „Rakete“ ist unheimlich gut angelaufen.
Der Anteil derer, die partizipieren und an der Rampe produzieren wollen, wird immer größer – größer als das Publikum?
Grohmann: Es läuft natürlich viel über den Partizipationsgedanken. Aber wegzugehen von diesem rein passiven Zuschauerbegriff war von uns auch intendiert – ohne dass wir alle mitmachen lassen. Aber dass bei uns eine Offenheit gegenüber Dritten besteht, ist durchaus gewollt.
Bues: Es kommen jedoch auch viele als ganz normale Zuschauer.
Der Rampe-Blog ist weitgehend auf Englisch, beim Vagabundenkongress waren fast alle Veranstaltungen auf Englisch. Grenzen Sie damit nicht viele aus?
Grohmann: Das ist die Frage: Öffnen wir uns einer Interkultur, indem wir versuchen, eine internationale Sprache einzubinden. Beim Kongress war Englisch die einzige Verständigungsmöglichkeit unter den internationalen Gästen.
Hat Ihr Etat gereicht?
Grohmann: Es ist schön, dass wir eine Erhöhung bekommen. Wir haben es auch geschafft, relativ viele Drittmittel zu akquirieren. Aber da müssen wir massiv weiterarbeiten, weil es immer noch nicht reicht. Aber wir haben die Gehälter der Teams anheben können.
Bues: Wobei sie immer noch nicht rosig sind. Das ist ein Problem, mir haben schon viele Schauspieler deshalb abgesagt. Das können wir nur wettmachen, indem wir interessante Produktionen machen und uns persönlich ins Zeug werfen.
Grohmann: Es ist immer eine Gratwanderung. Der Mindestlohn ist zu Recht im Gespräch. Uns beschäftigt auch das Thema „Art but fair“, weil wir wissen, dass wir die Leute nur schlecht bezahlen können, aber den Anspruch an unsere eigene Institution wahrnehmen wollen und nicht auf Ausbeutung und Selbstausbeutung setzen.
Bues:Wir haben fünf Jahrespraktikanten, die sehr verantwortungsvolle Posten haben. Das ist ein Graubereich, eigentlich wollen wir die Leute nicht so ausbeuten.
Machen Sie zu viele Veranstaltungen?
Bues: Nein, das war schon vorher so, das liegt im System.
Sie haben aber kein Minus gemacht?
Grohmann: Nein, wir haben eine strenge Geschäftsführerin, die hilft uns immer gut.
Bues: Die Zahlen sind gut.
Ist auch etwas nicht so gut gelaufen?
Bues: Es ist eine Überbelastung da. Wir müssen schauen, wie wir das Team besser schützen können. Es ist auch schade, wenn man viel Aufwand macht und ein Stück dann schnell wieder weg ist. Deshalb haben wir für die nächste Spielzeit mehrere Wiederaufnahmen geplant, damit die Dinge nicht so schnell im Sand versickern.
Und wie haben Sie beide sich verstanden?
Grohmann: Wir haben viel gestritten.
Bues :Wir haben sehr viel gestritten in diesem Jahr. Gewaltfreie Kommunikation müssen wir noch lernen.
Grohmann: Aber das ist auch sehr wichtig, weil man jede Position hinterfragt.
Bues: Das nervt natürlich. . .
Grohmann: Aber dann stehen die Entscheidungen. Es ist super, zu zweit zu sein.