Er verschaffte dem Alten Ägypten eine kulturelle Blüte: Ramses II, der Erbauer von Abu Simbel. Das Badische Landesmuseum Karlsruhe würdigt den bedeutendsten Herrscher des Alten Ägypten.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Psychologen hätten vermutlich ihre Freude gehabt. Was für ein Mensch mag Ramses II gewesen sein? Er wusste sich zu inszenieren. Die Bildnisse seiner Vorgänger versah er mit seinem Namen. Im gesamten Land ließ er Statuen von sich aufstellen, meterhohe Kolosse. Er ließ alte Tempel renovieren und neue bauen – und versäumte dabei nicht, immer auch seinen Namen zu hinterlassen und zu demonstrieren, dass er nicht nur Herrscher von Ober- und Unterägypten ist, sondern mit den Göttern auf Augenhöhe steht. Das blieb nicht ohne Wirkung. Ramses II wurde als Gott auf Erden verehrt.

 

Im Karlsruher Schloss kann man nun eine der zahlreichen Skulpturen sehen, die zu seinen Ehren errichtet wurden. Das Badische Landesmuseum hat für seine Ausstellung „Ramses. Göttlicher Herrscher am Nil“ eine gut zwei Meter große Büste ausgeliehen. Der Koloss wurde 1816 aus Ägypten weggeschafft, das Original steht noch heute im British Museum in London, 1873 wurde für die Berliner Museen ein Gipsabguss hergestellt, der in Karlsruhe nun einen Eindruck davon gibt, wie Ramses seinen Machtanspruch sichtbar machte. Mit jedem verbauten Stein wurde die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft zementiert.

Trotzdem muss Ramses der Große, wie er später genannt wurde, ein guter Herrscher gewesen sein, der wie kein anderer Herrscher für eine kulturelle Blüte und Wohlstand in Ober- und Unterägypten sorgte und fast fünfzig Jahre lang Frieden mit seinen Nachbarn hielt. 1279 vor Christus bestieg er den Thron und regierte immerhin stolze 66 Jahre lang. Sein Reich riesig war und reichte vom Süden Nubiens bis nach Asien.

Fest der Trunkenheit

In kühler, nüchterner Ausstellungsarchitektur stellt der Kurator Lars Petersen nun Leben und Wirken dieses bedeutenden Herrschers des Alten Ägyptens vor, den man an der Krone erkennen kann oder dem gold-blau gestreiften Nemes-Kopftuch und der Uräus-Schlange auf der Stirn, die den Herrscher und sein Reich beschützen sollte. Der lange Bart war übrigens nicht gewachsen, sondern wurde an den Ohren mit Bändern befestigt.

Als Ramses 1304 vor Christus geboren wurde, war das Reich in Unruhe. Echnaton initiierte zum Ende der 18. Dynastie gesellschaftliche und religiöse Umbrüche und verbot, die traditionellen Götter anzubeten, an deren Stelle er Aton setzte, die göttliche Sonnenscheibe. Das führte zu einer Staatskrise und zu langen Auseinandersetzungen, die erste Sethos I, der Vater von Ramses beendete. Ramses selbst wird bereits als Kind militärisch ausgebildet. Als Zehnjähriger verleiht der Vater ihm den Ehrentitel Oberkommandierender des Heeres und nimmt den Jungen schon mit zwölf Jahren zu Feldzügen und Schlachten mit. Vielleicht war das der Grund, weshalb Ramses in seiner langen Regierungszeit sehr um Frieden bemüht war. In der Karlsruher Ausstellung kann man Keilschrifttafeln sehen – der diplomatische Briefwechsel zwischen dem ägyptischen und dem hethitischen Königshaus, sowie Fragmente einer Abschrift des ältesten Friedensvertrags der Welt, den Ramses mit dem Hethiterkönig schloss.

Ramses vertrat das Prinzip der Maat, das eine gerechte und ideale Weltordnung garantieren sollte. Die Gesellschaft war dennoch von klaren Hierarchien geprägt. Den Großteil der Bevölkerung machten Arbeiter, Handwerker und Bauern aus, die nicht lesen und schreiben konnten. Die kleine, obere Gesellschaftsschicht führte ein Leben in Luxus, Männer wie Frauen trugen Schmuck, edle Leinengewänder, Perücken – und in der Ausstellung kann man noch Schminkgefäß und Holzkamm aus dem Neuen Reich sehen. Wer es sich leisten konnte, trank Wein, aß Fleisch und Süßigkeiten, während sich das Volk an Brot, Wasser und Bier halten musste. Getrunken wurde im Alten Ägypten übrigens gern. Wenn der Nil überschwemmt war, wurde das Fest der Trunkenheit gefeiert.

Die eigenen Töchter geehelicht

Für die Ausstellung sind viele internationale Leihgaben nach Karlsruhe gekommen, die aus dem Pariser Louvre, aus London oder Basel stammen. Hier entdeckt man ein Babyfläschchen, ein kleiner Keramikkrug mit seitlichem Schnabel zum Nuckeln. Dort eine seltene Fayence-Figur, die Ramses mit einem Falkenkopf zeigt, der doch eigentlich das Charakteristikum des Gottes Horus war. Die Provenienzen erinnern allerdings auch daran, wie selbstverständlich die europäischen Archäologen früherer Zeiten die Schätze für sich beanspruchten und wie weit auch das ägyptische Erbe heute verstreut ist.

Leider waren die ambitionierten Ausstellungsmacher, die auch einen fast 500-seitigen Katalog herausgebracht haben, ein wenig betriebsblind und haben versäumt, zentrale Fragen, die einem beim Rundgang kommen können, wenigstens kurz zu erörtern – etwa zur Wirklichkeitsnähe der Porträts oder der für die altägyptischen Darstellungen zentrale Schrittstellung. Auch Fachbegriffe werden nicht erklärt, sei es Uschebti, Kartusche oder Skarabäus, Pektoral, Würfelhocker oder Kniestatue.

Die Ausstellung lässt auch unkommentiert, dass Ramses II selbstverständlich seine eigenen Töchter ehelichte. Er hatte sieben Hauptfrauen, drei darunter waren leibliche Töchter. Rund hundert Kinder sind namentlich bekannt – die meisten hat Ramses, der stattliche neunzig Jahre alt wurde, überlebt. Sein Sohn Merenphtah konnte erst in hohem Alter den Thron besteigen.

Leicht bestialischer Ausdruck

So hat Ramses II auf vielfältige Weise Spuren in seinem irdischen Reich hinterlassen. Auch als Bauherr war er extrem rührig und hat unter anderem den imposanten Felsentempel von Abu Simbel südwestlich von Assuan in Auftrag gegeben, mit dem er Macht und Überlegenheit Ägyptens gegenüber Nubien demonstrieren wollte. Bei allem Geltungsbewusstsein scheint Ramses aber doch durchaus empathisch gewesen zu sein und wusste die Leistung seiner Arbeiter zu schätzen: „Mein Wunsch ist es, euch zu versorgen, um euch zu erhalten! Denn ich kenne eure mühselige Arbeit, bei der der Arbeiter nur froh ist, wenn der Bauch voll ist.“

Ramses ließ die Sommerresidenz seines Vaters am östlichen Nildelta zur Hauptstadt ausbauen. Fayencefliesen erinnern in der Ausstellung noch an den Palast von Pi-Ramesse. Es war eine multikulturelle Stadt, und Ramses ließ sogar für die Ausländer, die andere Götter anbeteten, eigene Tempel errichten. Die großmütige Geste war freilich nicht ohne Hintergedanken: Ramses ermöglichte damit, dass sich seine göttliche Legitimation breiter auslegen lässt und er auch religiöses Oberhaupt der Fremden werden konnte.

Die Mumie von Ramses wurde 1881 entdeckt. 1886 wickelt man die Binde vom toten Leib. Der Leiter der Ägyptischen Antikenverwaltung, Gaston Maspero bekam den Leichnam zu Gesicht: „Ein wenig intelligenter Ausdruck“, ließ er die Welt wissen, „vielleicht leicht bestialisch, aber voller Stolz, Eigensinn und dem Aussehen majestätischer Herrschaft.“

Bis 18. Juni, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, der Katalog ist im Michael Imhof Verlag erschienen und kostet im Museum 29,90 Euro