Geschlagene 75 Tage müssen Arbeitnehmer in Mühlacker auf ihren Lohnsteuerbescheid warten. Anderswo geht es doppelt so schnell. Wo Steuererklärungen besonders schnell bearbeitet werden und wie die Region im landes- und bundesweiten Vergleich abschneidet, zeigt jetzt eine Statistik.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Schloss Wolfach ist ein wuchtiger Renaissancebau. Mittendurch führt die Marktstraße in die mittelalterliche Altstadt des gleichnamigen Ortes mit 6000 Einwohnern im Kinzigtal (Ortenaukreis). Hier sitzen Baden-Württembergs schnellste Finanzbeamte. Nur 32,8 Tage musste der durchschnittliche Steuerzahler warten, wenn er in den vergangenen zwölf Monaten seine Lohnsteuererklärung eingereicht hatte. Geduld brauchten hingegen die Kunden des Finanzamtes in Mühlacker (Enzkreis). Hier dauerte es 75,1 Tage, also mehr als doppelt so lange, ehe die Bescheide das Haus verließen.

 

200 000 Steuerfälle ausgewertet

„Wir wissen, dass wir gut sind“, sagt Klaus Matthias Teufel, der als Vorstand des Offenburger Finanzamtes auch für die 50 Kollegen in Wolfach zuständig ist. Schon 2016 lag die Außenstelle in der Rangliste, die das Onlineportal „Lohnsteuer kompakt“ jährlich auf der Grundlage von 200 000 Steuererklärungen veröffentlicht, landesweit auf Platz eins. Allerdings rangiere man auch bei internen Vergleichen weit oben. „Wir sind eine Verwaltung, die mit allen möglichen Zahlen umgeht“, sagt Teufel. Da würden selbstverständlich auch Daten zur Arbeitsproduktivität erfasst – wenn auch nicht veröffentlicht.

„Die regionalen Unterschiede sind erstaunlich groß“, kommentiert der Geschäftsführer von „Lohnsteuer kompakt“, Felix Bodeewes, die Zahlen. Sie waren von seinem Portal zwischen Juni 2016 bis Anfang Mai 2017 in ganz Deutschland anonym erhoben worden. Demnach liegt Wolfach bundesweit auf Platz fünf. Am schnellsten waren die Kollegen in Fürth bei Bensheim in Hessen mit 27,3 Tagen. Der Vorjahressieger Bielefeld-Außenstadt landete mit 29,3 Tagen direkt dahinter auf Platz zwei.

Berlin ist arm, aber ganz schön schnell

Insgesamt reichte es für die baden-württembergischen Finanzämter im Ländervergleich mit einer Bearbeitungszeit von landesweit 54,1 Tagen nur zu einem Platz im hinteren Mittelfeld. Arbeitnehmer in Berlin erhielten ihre Bescheide hingegen schon neun Tage eher. Auf dem zweiten Platz liegt Rheinland-Pfalz mit 46,4 Tagen, auf Platz drei Sachsen-Anhalt mit 46,6 Tagen. Schlusslicht ist das Land Bremen, wo der Steuerbescheid statistisch gesehen erst nach 71,8 Tagen ins Haus flatterte.

Unklar ist, woher die großen Unterschiede kommen. Möglicherweise halte das Land Berlin immer noch mehr Mitarbeiter in seiner Finanzverwaltung als andere Bundesländer, vermuten Beobachter. Martina Schäfer vom Stuttgarter Finanzministerium verweist auch auf die vielen Grenzgänger, die es in Baden-Württemberg wegen der Nähe zur Schweiz und zu Frankreich gebe. Deren Steuererklärungen seien oft komplex. Tatsächlich liegen grenznahe Finanzämter wie Lörrach, Karlsruhe-Durlach und Freiburg in der Landestabelle nur kurz vor Mühlacker. Doch es gibt auch Ausnahmen: die Kollegen in Waldshut-Tiengen konnten sich um 54 Plätze auf Rang neun verbessern.

Sogar bei den drei Stuttgarter Ämtern, die sich die Steuerzahler in der Landeshauptstadt aufgrund der Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen teilen, sind die Unterschiede beträchtlich. Stuttgart III liegt mit 47,8 Tagen noch gut, Stuttgart I mit 51,6 Tagen eher durchschnittlich und Stuttgart II mit 59,1 Tagen weit hinten. Bodeewes vermutet daher, dass interne organisatorische Aspekte die Bearbeitungszeit beeinflussen: ein hoher Krankenstand oder schlechte Stimmung innerhalb der Belegschaft könnten die Bilanz belasten.

In Mühlacker, dem Südwest-Schlusslicht, will sich zu all dem niemand äußern. Die Amtsspitze verweist auf die Oberfinanzdirektion in Karlsruhe, die sich aber auch schwer tut. Es gebe keine generellen Erklärungsmuster, sagt eine Sprecherin. Doch oft wirkten sich temporäre Abwesenheiten durch Elternzeit oder Mutterschutz negativ auf die Bearbeitungszeit aus.

Stuttgart III schlägt Stuttgart II

Kein gutes Pflaster für Finanzbeamte

In Stuttgart hat man derweil auch mit einer recht hohen Fluktuation zu kämpfen. Junge Mitarbeiter würden in die Landeshauptstadt versetzt, wollten aber so schnell wie möglich wieder zurück in die Heimat, sagt eine Insiderin. Unter Finanzbeamten gilt Stuttgart als wenig attraktives, dafür aber teures Pflaster.

Eine feste Zielmarke, wie lange ein Finanzamt durchschnittlich für die Bearbeitung einer Steuererklärung benötigen soll, gibt es im Finanzministerium angeblich nicht. Dafür haben die Steuerzahler ziemlich konkrete Vorstellungen. Auf lohnsteuer-kompakt.de konnten die Kunden ihre Finanzämter benoten. Dabei erhielten die Häuser die besten Bewertungen, denen nun auch in der Statistik die kürzesten Bearbeitungszeiten attestiert werden konnten. Langsame Finanzämter erhielten dagegen schwache Zensuren. Für Bodeewes ist klar: „Spätestens nach zwei Monaten verlieren die Steuerzahler die Geduld.“

Zehn Prozent der Bescheide erledigt Kollege Computer