Rani Khedira spricht über die Vergleiche mit dem Weltmeister in seiner Familie und den Abschied vom VfB Stuttgart. Der 20-jährige Profi aus Fellbach-Oeffingen spielt am Mittwoch (17.30 Uhr) mit dem RB Leipzig beim VfR Aalen.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)
Stuttgart – - Zuletzt beim 1:0-Sieg in Fürth musste Rani Khedira den Platz nach 65 Minuten mit einem Pferdekuss verlassen. Aber alles halb so schlimm. Der 20-jährige Mittelfeldspieler des Fußball-Zweitligisten RB Leipzig, der aus Fellbach-Oeffingen stammt und bis zum Sommer für den VfB Stuttgart spielte, kann an diesem Mittwoch (17.30 Uhr) beim VfR Aalen auflaufen.
Herr Khedira, ist das nicht ausgesprochen geschickt für Sie, dass das Spiel in Aalen bereits um 17.30 Uhr anfängt?
Hm, worauf wollen Sie hinaus?
Na so könnten Sie es theoretisch noch irgendwie schaffen, Ihre um 19.40 Uhr beginnende Lieblingsserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ zu sehen.
Ach so, daran habe ich jetzt als Letztes gedacht. Am Spieltag ist das egal, was im Fernsehen läuft. Für drei Punkte in Aalen lasse ich das gerne ausfallen.
Sie haben 16 der 17 Leipziger Partien in der zweiten Liga bestritten, haben nur einmal aufgrund einer Gelbsperre gefehlt. Sie waren unter den hochkarätigen Zugängen der erste und einzige, der sofort einen Stammplatz hatte. Warum ging das bei Ihnen so schnell?
Einfach durch harte Arbeit. Ich habe in der Vorbereitung versucht, die Mentalität und Spielphilosophie schnell anzunehmen. Ich habe jeden Tag genau zugehört, was der Trainer von mir wollte, und mir so den Platz in der Mannschaft erarbeitet.
Wie schauen Sie mit ein bisschen Abstand auf Ihre am Ende nicht mehr ganz so glückliche Zeit beim VfB Stuttgart zurück?
Ich hatte neun schöne Jahre beim VfB, natürlich nicht mit Happy End. Ich habe alle Jugendmannschaften durchlaufen, knapp 60 Drittligaspiele für das zweite Team absolviert und dann – was mein großes Ziel war bei meinem damaligen Traumclub VfB – den Sprung in die Bundesliga geschafft. Es war dann eine schwierige Phase mit drei Trainern in einer Saison und dem hartnäckigen Abstiegskampf. Danach wurde mir gesagt, dass nicht mehr mit mir geplant wird. Wenn man so lange an einen Club gebunden war – mein Bruder hat ja auch lange dort gespielt, mein Papa war viele Jahre Betreuer in der Jugend, wir waren also über Jahrzehnte im Verein – war es natürlich schon ein bisschen traurig, keine angemessene Verabschiedung zu bekommen und dass sich niemand von der Vereinsführung gemeldet hat. Aber es ist alles in Ordnung, wie es ist.
Überrascht es Sie, dass Ihr Ex-Club erneut massive Abstiegssorgen hat?
Ich sage mal so: der Verein steckt schon seit Jahren unten fest. Ich hätte aber nicht gedacht, dass es dieses Jahr wieder so schlimm wird, sondern dass aus den Fehlern gelernt wird. Dass sich der VfB in der Abstiegsregion befindet, tut weh. Der Verein hat eigentlich alle Möglichkeiten, um im vorderen Drittel mitzuspielen. Das ist bitter für die Fans.
Beim VfB sind Sie immer auf den prägnanten Spuren Ihres berühmten Bruders Sami gewandelt, als Kapitän in der Jugend bis in die erste Liga. Wie befreiend ist es nun, fern seiner Fußstapfen einen eigenen Weg zu gehen?
Es ist schon ein schönes Gefühl, als eigenständige Person gesehen zu werden. Das ist in Leipzig extrem: Man schaut auf Rani! Ich werde als Rani gehandelt und nicht als Bruder von Sami. Meine Eltern haben mir ja auch den Namen Rani gegeben und nicht den Namen Bruder von Sami.
Wie sehr hat Sie das tangiert, dass in Stuttgart immer Ihr älterer Bruder als Vergleichsgröße für Sie herangezogen wurde?
Es ist schon extrem, wenn du jede Woche, fast jeden Tag auf deinen Bruder angesprochen wirst, gerade von den Journalisten. Es haben immer Vergleiche stattgefunden. Ich wollte und habe mich davon nie beeinflussen lassen. Ich schaue seit jeher auf mich und meine Leistung. Ich habe nie Druck wahrgenommen, dass ich so gut werden muss wie mein Bruder. Ich wollte immer schon mein persönliches Maximum erreichen. Darauf werde ich irgendwann zurückschauen und mich daran messen.
Im vergangenen Sommer haben Sie Ihr Elternhaus im eher beschaulichen Heimatort Fellbach-Oeffingen verlassen und sind in eine Altbauwohnung nach Leipzig gezogen. Was war die größte Umstellung für Sie?
Dass du somit jetzt komplett eigenständig bist. Dass du die Dinge selbst in die Hand nehmen und erledigen musst und nicht mehr die Mama da ist, die dir Sachen abnimmt. Daran reifst du als Mensch genauso wie daran, in einem neuen Verein zu sein. Es ist ein guter Schritt, aus dem gemachten Nest rauszukommen.
Warum haben Sie sich für RB Leipzig entschieden?
Weil es letztlich das einzige konkrete Angebot war. Ralf Rangnick, Alexander Zorniger und Co. haben sich sehr um mich bemüht und mir ihre Pläne aufgezeigt. Sie haben es mir sehr schmackhaft gemacht, in Leipzig zu spielen. Das Wichtigste für einen jungen 20-jährigen Kerl wie mich ist doch, dass er sich weiterentwickeln kann. Dazu musst du Woche für Woche spielen. Es hilft nichts, zu den ersten 18 zu gehören, sondern dazu musst du unter den ersten elf Verantwortung übernehmen.
Wie gehen Sie mit den Beschimpfungen und Anfeindungen um, die Ihrem Club als neureichem Emporkömmling immer wieder von gegnerischen Fans entgegenschlagen?
Das ist zwar sehr ernüchternd, aber du musst versuchen, das auszublenden. Vor vier, fünf Jahren war die TSG 1899 Hoffenheim das große Feindbild, jetzt pfeift kaum mehr einer gegen sie. Wir sind jetzt die Spitze des Eisbergs. Mich persönlich beeinflusst das wenig. Wir schauen eher auf unsere Fans. Die Leute sagen, wir hätten keine Tradition, aber wir haben in Leipzig unglaublich viele fußballverrückte Menschen, die uns Woche für Woche super unterstützen. Wer erzählt, dass wir keine Fankultur haben, der irrt sich.
Zur Saisonhalbzeit liegt RB Leipzig ganz knapp hinter den drei Aufstiegsplätzen. Packt der Verein schon als Aufsteiger den Sprung in die Bundesliga?
Das weiß ich nicht. Damit beschäftigen wir uns nicht. Es klingt zwar blöd, aber wir schauen nur von Spiel zu Spiel. Ich habe noch nicht einmal gedacht: oh, jetzt sind wir Sechster, Dritter oder Fünfter. Wir sind alle jung und wollen den nächsten Schritt in unserer Entwicklung machen. Wir wollen einfach Fußball spielen und sind geil auf Siege.
Wie deutlich ist in der Stadt die Sehnsucht nach der Rückkehr von Bundesligafußball in Ostdeutschland auszumachen?
Die ist sehr, sehr stark. Vor drei Wochen auf der Fahrt vom Flughafen in Halle/Saale nach Leipzig habe ich mich 25 Minuten lang mit dem Taxifahrer darüber unterhalten. Er sagte, dass es unglaublich sei, dass es nach 16 Jahren wieder Zweitligafußball in Leipzig gibt, das habe er nicht mehr für möglich gehalten – und das mit vielen jungen deutschen Talenten. Wir spielen einen offensiven Fußball mit hoher Intensität, das freut die Leute. Sie sind froh und stolz, dass es Zweitligafußball gibt und hätten nichts dagegen, wenn es die nächsten Jahre so weitergehen würde.