Karl-Heinz Ratzer führt seit fast 30 Jahren einen Plattenladen. Das ist heute etwas für Liebhaber. Um mehr Kunden zu binden, betreibt Ehefrau Brigitte nun im Laden ein kleines Café.

S-Mitte - Karl-Heinz Ratzer nimmt sich selbst nicht so wichtig. Nicht einmal, wenn er wie beim Sommerfest in seinem Plattencafé Ratzer Records selbst hinter den Plattentellern steht. „Die Musik ist bei einer solchen Veranstaltung nur die Begleitung“, sagt der Mann in Jeans und T-Shirt. Wichtig ist ihm der persönliche Kontakt zu seinen Kunden. Nicht nur beim Sommerfest, sondern täglich. Und das seit 29 Jahren. So lange schon ist der gelernte Einzelhandelskaufmann als Plattenhändler in Stuttgart selbstständig. Wer zu Ratzer Records kommt, will mehr als nur musikalische Beratung. „Die Gespräche reichen von Musik über Fußball bis zu Politik“, sagt Karl-Heinz Ratzer.

 

Platten allein reichen nicht mehr

Seit zwei Jahren finden diese nicht mehr nur zwischen den Regalen voller Tonträger statt. 2011 ist Karl-Heinz Ratzer mit seinem Plattenladen von der Paulinen- an die Hauptstätter Straße gezogen. Außer Schallplatten und CDs gibt es dort auch ein kleines Café, um das sich hauptsächlich seine Frau Brigitte kümmert. „Man muss heute mehr bieten, als nur Platten zu verkaufen“, sagt sie. Auf dem roten Ledersofa, dem Sessel mit Zebra-Überzug und einem der Barhocker an der Theke ist Zeit für gemütliche Gespräche, während im Hintergrund Rock, Pop oder auch mal Jazz läuft.

Platten allein reichen nicht mehr

Das kommt vor allem bei den Begleiterinnen gut an: „99,9 Prozent aller Plattensammler sind Männer“, sagt Karl-Heinz Ratzer. Woran genau das liegt, weiß er selbst nicht so recht. Vielleicht ist es die Einzigartigkeit: „Eine Platte kann man nicht kopieren, ein Cover schon gar nicht.“ Natürlich sei auch das Hörerlebnis ein anderes, ergänzt seine Frau: „Ich könnte nie Musik vom iPod hören. Die klingt mir zu blechern und oberflächlich.“ Nach der Arbeit nach Hause zu kommen und statt des Fernsehers eine Platte in den Plattenspieler einzulegen ist für sie mehr, als nur Musik hören: „Es ist ein Ritual der Entspannung und wirkt wie eine Therapie.“

Jüngere wollen wieder Vinyl

Für viele Kunden habe sich die Langspielplatte aber inzwischen vom Gebrauchs- zum Luxusgegenstand gewandelt: „Eine Platte kann man sich dekorativ in den Schrank stellen und wie ein Buch aufklappen“, sagt Brigitte Ratzer. Nach dem Siegeszug der CD in den 90-er Jahren interessierten sich in den vergangenen Jahren auch aus diesem Grund wieder mehr jüngere Menschen für Vinyl, beobachtet sie. Auf viele 20-Jährige allerdings wirke der Laden an der Hauptstätter Straße dagegen oft wie ein Museum.

Jüngere wollen wieder Vinyl

Dabei geht Ratzer Records mit der Zeit: Auch wenn die heutige Masse an Musik nicht mehr überschaubar sei, sei doch über die Jahre das Sortiment stetig erweitert worden. Ein wenig Elektro und Hip Hop ist inzwischen dazugekommen, sagt Karl-Heinz Ratzer, dessen Spezialgebiet die Musik der Zeit zwischen 1965 und 1975 ist. Für seine Kundschaft bestellt er nach deren Wünschen und legt der Bestellung auch mal eine Empfehlung bei. Man kennt sich bei Ratzer Records. „Es gibt keinen Plattenladen mit Laufkundschaft.“ Mit den Stammkunden wird seit dem Umzug an die Hauptstätter Straße übrigens nicht mehr nur beim Sommerfest gefeiert. Ein bis zweimal im Monat organisieren Karl-Heinz und Brigitte Ratzer kleine Konzerte im Plattencafé. Am 20. September ist die Gruppe Dead Profession zu Gast. Auch das bevorstehende 30-jährige Bestehen wirft seine Schatten voraus. Das wird im kommenden Jahr richtig groß gefeiert.