Eine Spezialbrille aus Plastik soll die Netzhaut beruhigen. Alexander Günzler hat die Rasterbrille getestet.

Stuttgart - In etwa so muss es wohl aussehen, wenn man die Welt durch den Brausekopf einer Gießkanne betrachtet. Doch nachdem sich meine kurzsichtigen Augen an die kleinen Gucklöcher vor meiner Nase gewöhnt haben, sehe ich die Buchstaben auf meinem rund zwei Meter entfernten Monitor tatsächlich schärfer. Und dies dank einer sogenannten Rasterbrille, die ausschaut als ob jemand vergessen hat, die Öffnungen für die Gläser aus dem Plastikgestell auszustanzen und stattdessen ein paar Dutzend Löcher hineingebohrt hat. Schärfer sehen ganz ohne geschliffene Gläser oder Kontaktlinsen - eine optische Täuschung oder ein medizinisches Wunder?

"Ein einfaches physikalisches Prinzip", sagt Egon Georg Weidle, Ärztlicher Direktor der Augenklinik am Stuttgarter Katharinenhospital. Rasterbrillen nutzen den sogenannten Lochblendeneffekt. Wie bei einer Kamera mit kleiner Blende wird das Licht durch die Löcher besser gebündelt und auf die Mitte der Netzhaut geleitet. Störende Randstrahlen werden so ausgeblendet und die Schärfentiefe erhöht. So sieht man zwar besser, jedoch - abhängig von der jeweiligen Sehschärfe des Anwenders - nicht 100 Prozent. "Das Prinzip funktioniert auch, wenn man die Augen zusammenkneift oder mit der Faust ein kleines Loch macht und hindurchschaut", erklärt der Experte.

Die Rundumsicht bleibt auf der Strecke


Da ich aber nicht mit einer Faust vor dem Gesicht herumlaufen will, setze ich weiterhin auf die Rasterbrille. Aus meinem Büro hinaus traue ich mich damit aber nicht, verschafft sie dem Träger doch das Antlitz einer Stubenfliege. Wohlfühle ich mich mit dem Gitter vor der Nase auch im Büro nicht. Wenn ich den Kopf drehe, wird es mir immer wieder leicht schwummerig. Die Sinneseindrücke "hell - dunkel - hell - dunkel" verschwimmen zu einem diffusen Grau. Zudem bleibt die Rundumsicht weitgehend auf der Strecke. Die Kollegin, die neben mir sitzt, nehme ich nur schemenhaft und verschwommen wahr. Kritiker und sogar Hersteller raten daher davon ab, mit der Rasterbrille komplexe Tätigkeiten auszuführen. Dazu zählen sie das Autofahren und die Bedienung von Maschinen. Ein Internethändler empfiehlt den Einsatz "während dem Fernsehen, Lesen oder am PC". Aber warum sollte ich da eine Rasterbrille einer normalen Brille oder Kontaktlinsen vorziehen?