Der Rat der Religionen soll Stuttgarter Juden, Christen und Muslime zusammenbringen und helfen, Vorurteile abzubauen. Im Mai tritt er zum ersten Mal zusammen.

Stuttgart - Nach den Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo hätte sich der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig einen Rat der Religionen in Stuttgart gewünscht. „Wir hätten unmittelbar nach dem Attentat ein Statement abgeben können, dass wir jede Form von Gewalt im Namen der Religion ablehnen.“ Mit „wir“ meint Schwesig Vertreter der drei Buchreligionen: von Christentum, Islam und Judentum. Jetzt soll er kommen, der ersehnte Rat der Religionen, das erste Treffen ist im Mai, die Einladungen sind verschickt.

 

Den Rat der Religionen ins Leben rufen Schwesig und sein katholischer Kollege Christian Hermes. Eingeladen sind Barbara Traub als Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, ein Vertreter der Orthodoxie sowie Verantwortliche von vier muslimischen Moscheegemeinden: dem Verband der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), dem Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ), der Islamischen Gemeinschaft Stuttgart und der alevitischen Gemeinde. „Damit haben wir eine repräsentative Vertretung der Stuttgarter Moscheegemeinden“, begründet der katholische Stadtdekan Christian Hermes die Auswahl. Er hält es für ein wichtiges Signal, den moderaten Muslimen in der Stadt die Hand zu reichen und sich auf der anderen Seite unmissverständlich gegen Islamismus abzugrenzen.

Klares Bekenntnis gefordert

In der Satzung soll deshalb ein klares Bekenntnis aller Teilnehmer zur Verfassung und zur Religionsfreiheit stehen. „Damit meinen wir nicht etwa eine Religionsfreiheit, die nur für die eigene Gruppe gilt, für die anderen aber nicht, sondern eine Religionsfreiheit für alle“, sagt Hermes.

Der katholische Stadtdekan fügt hinzu: „Wir haben in Stuttgart viele katholische Christen, die unter islamischer Verfolgung gelitten haben, deshalb ist ein klares Bekenntnis seitens der Muslime zur Verfassung wichtig.“

Auch Islamfeindlichlkeit soll Thema sein

Die eingeladenen muslimischen Verbände zeigen sich offen für das Gremium, das zwei- bis dreimal im Jahr tagen soll. „Wir machen gerne mit. Wir leben in einer Zeit, in der Religiosität generell in Frage gestellt wird. Umso wichtiger ist es, dass wir Vertreter der Religionen uns zusammensetzen und gemeinsam in die Öffentlichkeit treten“, sagt Yavuz Kazanc vom Verband Islamischer Kulturzentren.

Was der Rat der Religionen leisten soll, ist zu Beginn vor allem eines: Vertrauen schaffen zwischen den Glaubensgruppen. „Wir müssen uns kennen lernen, das ist die Grundlage für alles weitere.“ Sein katholischer Kollege sieht den Rat als Mittel gegen Vorurteile. „Es gibt kein besseres Heilmittel gegen Pauschalierungen als den Dialog.“ In Zeiten von Pegida liege es auch in der Verantwortung der Christen, gemäßigte Muslime in ihren religiösen Anliegen zu unterstützen, wie dies jüngst auch geschehen ist. In der Diskussion um den geplanten Neubau einer repräsentativen Moschee in Feuerbach haben sich christliche und jüdische Vertreter gleichermaßen für den Sakralbau stark gemacht. Der Muslim Yavuz Kazanc erwartet vom Rat der Religionen freilich noch etwas anderes: „Das ist ein Forum, in dem man auch über die Islamfeindlichkeit in Deutschland sprechen muss.“