Im Sozialausschuss des Stuttgarter Gemeinderates ist es am Montag zu einem heftigen verbalen Scharmützel gekommen. Der AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner nannte Hannes Rockenbauch einen „Linksfaschisten“.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Einen Schlagabtausch wie diesen erlebt man im Sozialausschuss nicht alle Tage. Dabei hatte alles so gemütlich angefangen. Zwei Stunden plätscherte die Debatte zum Thema Gemeindepsychiatrie harmonisch dahin. Doch plötzlich, als das Thema Flüchtlinge aufgerufen wurde, war der Friede dahin. Auf der einen Seite der Frontlinie: AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner, auf der anderen: die übrigen Fraktionen. Aber der Reihe nach.

 

Zunächst referierte Sozialamtsleiter Stefan Spatz, was der Verwaltung in einem Antrag der AfD aufgetragen worden war: Gegenwärtig leben 640 Flüchtlinge aus den als sicher geltenden Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina in Unterkünften der Stadt, das sind 20 Prozent aller in Stuttgarter Heimen untergebrachten Menschen. Und Spatz machte deutlich: Die Verwaltungsspitze habe mehrfach auf verschiedenen politischen Ebenen „klar geäußert“, dass die Asylverfahren von Menschen aus diesen Staaten beschleunigt und binnen drei Monaten entschieden sein müssten. In dieser Zeit sollte diese Gruppe von Flüchtlingen in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben. Es habe ja keinen Sinn, diesen Menschen falsche Hoffnungen auf Asyl zu machen. Derzeit aber würden auch die Menschen vom Westbalkan auf Stadt- und Landkreise verteilt. Zwar stocke der Bund das Personal zur Bearbeitung von Asylanträgen von 2800 auf 4800 auf, aber es werde „noch dauern“, bis sich dies spürbar auswirke.

Fiechtner verbreitet Stammtischparolen

Mit dieser Darlegung war Heinrich Fiechtner offenkundig unzufrieden. Er kritisierte, dass man die Sorgen und Ängste vieler Bürger angesichts eines, wie er findet, „ungehemmten Zuzugs“ nicht ernst nehme. Zudem stellte er die Angaben der Verwaltung in Frage und sprach von „sogenannten Flüchtlingszahlen“. Nach seinen Informationen müssten etwa 5000 Menschen vom Westbalkan in Stuttgart leben, behauptete Fiechtner. „Das ist sozialer Sprengstoff – legen Sie die Zahlen offen.“ Im Rückblick auf die Pegida-Kundgebung am Sonntag, an der er teilgenommen hatte, und der Gegendemo, die 4000 Menschen mobilisierte, sagte Fiechtner, „eine Gemeinschaft aus dem linksextremistischen Milieu“ versuche jene zu unterdrücken, die seine Sicht der Dinge äußerten.

Das klang nach Verschwörungstheorie, die Lunte, an der sich ein heftiger Streit entzündete, war gelegt. Dass Zahlen im Rat unterschiedlich interpretiert werden, ist nicht unüblich, dass man der Stadt aber unterstellt, sie lege falsche Zahlen vor, gibt es sonst nicht.

Die Sozialbürgermeisterin wird ungewohnt polemisch

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) wurde ungewöhnlich polemisch, unterstellte Fiechtner einen „Kommunikationsstau“ und wollte wissen, welcher der „linksextremistischen Parteien“ im Gremium sie das Wort erteilen solle. Jochen Stopper (Grüne) nannte es „hanebüchen“, was der AfD-Stadtrat verbreite. Vermutlich nicht einmal alle 200 Teilnehmer der Pegida-Demo (Stopper: „Die musste man aus der ganzen Republik zusammenkarren, um auf diese Zahl zu kommen.“) teilten Fiechtners „extreme Ansichten“. Was die Menschen heute viel mehr bewege, sei, „dass wir tatenlos zuschauen, was im Mittelmeer geschieht“.

Hannes Rockenbauch von SÖS-Linke-Plus warf Fiechtner einen „Aufritt gemeinsam mit Nazis“ vor, was Isabel Fezer im Verlauf der hitzigen Debatte auch so sah. „Sie sind der Sprengstoff in dieser Gesellschaft“, hielt Rockenbauch Fiechtner vor. Als dieser Hannes Rockenbauch schließlich einen „Linksfaschisten“ nannte, griff Isabel Fezer ein und forderte den AfD-Stadtrat auf, sich umgehend für diese Beleidigung zu entschuldigen. Dieser Aufforderung kam Heinrich Fiechtner während der öffentlichen Sitzung aber nicht nach.

Klarstellung:

Keine Beleidigung

Verbale Attacken im Sozialausschuss vom 19. Mai 2015

Zum Artikel „Verbale Attacken im Sozialausschuss“ vom 19. Mai 2015 erklärt AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner: „Die Behauptung, ich hätte Hannes Rockenbauch einen Linksfaschisten genannt und damit beleidigt, ist falsch. Ausweislich des Wortprotokolls sagte Herr Rockenbauch: „… mit ihrem Auftritt gestern gemeinsam mit Nazis und heute mit ihren Äußerungen machen sie klar, sie sind der Sprengstoff in dieser Gesellschaft.“ Meine Replik darauf lautete: „Herr Rockenbauch, dass sie sich bei den Linksfaschisten und Nazis bewegt haben, wundert mich nicht.“ Eine personenbezogene Beleidigung oder Verleumdung durch mich fand also nicht statt.“ StZ