Neun Überfälle wurden in gut zwei Wochen verübt: Die Polizei befürchtet, dass ein Serientäter in der Stadt unterwegs sein könnte. Kann das trotz unterschiedlicher Täterbeschreibungen sein?

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Wieder hat es eine Frau getroffen, die beinahe schon in ihrem Haus angekommen war. Wieder greift ein Täter die Frau brutal an. Dieses Mal stößt ein Räuber eine 88-Jährige in ein Gebüsch. Dieser Fall, geschehen am Sonntag in Botnang, passt für die Polizei in die Reihe der Taten, von denen die Ermittler seit Ende Mai bereits neun im Stadtgebiet gezählt haben. Laut Polizei könnten die Taten auf das Konto ein und desselben Täters gehen. „Das Raubdezernat untersucht, ob ein Zusammenhang besteht. Die Täterbeschreibungen variieren zwar, aber das könnte trotzdem passen“, sagt Polizeisprecher Martin Schautz. Es kristallisiert sich das Bild eines 20 bis 30 Jahre alten Mannes heraus, der etwa 1,70 Meter groß ist.

 

Wenn es immer der gleiche Mann ist, der kreuz und quer in der Stadt zuschlägt, dann ist die auffallendste Eigenschaft eine, die man nicht auf den ersten Blick sieht: seine rücksichtslose Brutalität gegenüber zum Teil hochbetagten Frauen, die er sich als Opfer aussucht. Dabei scheint er kein Risiko zu scheuen: Mehrere Taten wurden am helllichten Tage auf offener Straße verübt. Er scheint also nicht viel Angst davor zu haben, dass ihn jemand sieht. Aufgrund des Vorgehens hat die Polizei nach der dritten Tat am 2. Juni einen Zusammenhang vermutet und seither auch in diese Richtung ermittelt.

Überfall-Serie begann im Mai

Die Serie begann am 30. Mai. An jenem Mittwoch entriss ein Mann gegen 21.15 Uhr einer 54-jährigen Frau in der Danneckerstraße die Tasche. Tags drauf traf es in der Eugenstraße am frühen Morgen eine 27-Jährige, das bislang jüngste Opfer. Am 2. Juni wurde eine 80 Jahre alte Frau in der Sonnenbergstraße überfallen und zu Boden gestoßen. Bis dahin hatte sich alles im Bezirk Mitte abgespielt, zwischen dem Gerichtsviertel und der Sonnenbergstraße. Am nächsten Tag, dem 3. Juni, geschah zum ersten Mal ein Überfall an der Hackstraße im Stuttgarter Osten, dort riss ein Mann einer 85-Jährigen eine Kette vom Hals. Die Hackstraße kam am 9. Juni erneut auf die Liste der Tatorte. Im Osten ereignete sich auch am 6. Juni ein Überfall von besonderer Brutalität: Der Räuber packte eine 91-jährige Frau vor ihrer Haustür am Genick und schlug sie mit dem Gesicht gegen die Hauswand. Am 4. Juni, einem Sonntag, wurde an der Alexanderstraße eine Frau zu Boden gerissen und beraubt. Am 7. Juni wurde eine 51-Jährige Opfer in Bad Cannstatt, am Sonntag, 11. Juni, geschah der Überfall in Botnang.

Die Polizei stellt dabei zwei Kategorien fest: Entweder schlug der Räuber auf einer Treppe zu, so geschehen am 2. Juni auf der Sonnenbergstaffel und am 4. Juni auf der Treppe an der Alexanderstraße. In allen Fällen beschrieben die Opfer die Täter als 20 bis 30 Jahre alt, schwarzhaarig und zwischen 1,65 und 1,70 groß. Manche schätzten den Angreifer als südländischen Typ ein, eine Frau hatte den Eindruck, er könne dem Aussehen nach aus dem arabischen Raum stammen. Für die Polizei sind das normale Unschärfen: „Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung. Die Körpergröße sieht man zum Beispiel immer in Relation zur eigenen Größe etwas anders“, sagt der Polizeisprecher. So könnte es trotz der Unterschiede bei der Alters- und der Größenangabe gut sein, dass es sich um denselben Mann handele. „Man muss auch bedenken, dass die Opfer verängstigt und unter Schock waren, außerdem kam der Täter von hinten und nicht frontal auf sie zu“, fügt Martin Schautz hinzu. Dadurch hätten die Frauen die Angreifer nicht immer genau beobachten können. Richtig gute Täterbeschreibungen seien ohnehin selten, doch einige Anhaltspunkte habe man in den aktuellen Fällen, auch aufgrund von rund zehn Zeugenhinweisen.

Als Tipp für Personen, die sich unsicher fühlen rät die Polizei: „So schnell wie möglich die 110 anrufen“, sagt Martin Schautz. Zeugen werden gebeten, sich unter der Telefonnummer 07 11/89  90 - 57 78 bei der Kriminalpolizei zu melden. „Die Reihe von Taten ist schon eine ungewöhnliche Häufung“, sagt der Polizeisprecher.

Senioren in der Stadt beschäftigt das Thema

Unter Senioren in der Stadt werde das Thema schon aufgeregt diskutiert: „Das beschäftigt die Leute“, sagt Werner Schüle, der sich im Seniorenrat der Stadt und des Landes engagiert. „Wir raten den Leuten, dass sie es nach Möglichkeit vermeiden, alleine unterwegs zu sein“, fügt Schüle hinzu. Die Senioren würden sich „deutlich mehr Sicherheitspersonal wünschen“, vor allem in den Bahnen. Zu einer möglichen Begegnung zwischen Opfer und Täter in den Stadtbahnen vor den Überfällen macht die Polizei keine Angaben. Auch nicht dazu, ob Bilder aus den Überwachungskameras angefordert wurden. So war die Polizei im Jahr 2012 Räubern auf die Spur gekommen, die im Stuttgarter Westen Senioren, die viel Goldschmuck trugen, von der Stadtbahn nach Hause gefolgt waren.