Zwei Mittäter sind verurteilt. Der Kopf der Bande ist verstorben. Dies ist das Protokoll eines anfangs rätselhaften Raubversuchs vor einer Shisha-Bar.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Der Plan war schon eine Weile gereift, erst vage. In der Nacht zum Gründonnerstag wurde er zur Tat. Mit einer Sturmhaube auf dem Kopf und einem Schlagstock in der Hand prügelte ein Mann auf einen anderen ein, um ihm sein Geld abzupressen. Das Opfer entkam. Was blieb, war ein Toter, gestorben mit 25 Jahren, wohl wegen der Aufregung über den Überfall, den er selbst ausgeheckt hatte.

 

Ein paar Tage zuvor hatte ein Gast einer Herrenberger Shisha-Bar ein Bündel Geldscheine aus der Tasche gezogen, wieder mal. 9000 Euro sollen es gewesen sein. Später, vor Gericht, erzählte er, dass er an jenem Tag das Auto seiner Mutter verkauft habe. Aber dass er ein paar 500-Euro-Scheine bei sich trug, kam häufiger vor. Er prahlte mit dem Geld. So wurde er zum Opfer. Zwei Freunde wollten „ihn abziehen“, wie es die Richterin Cornelie Eßlinger-Graf formulierte. Jeder kennt jeden in jener Bar. Die beiden brauchten einen Dritten, den ihr Opfer nicht an Statur und Stimme erkennen würde. Sie fanden einen 20-Jährigen, der weder Arbeit noch eine Wohnung hatte. Der 25-Jährige sprach ihn an. Die Antwort war vage: kein Ja, kein Nein. Der 25-Jährige lieh sich von einem Cousin vorsorglich einen Schlagstock.

Am Imbiss hat das Opfer wieder Fünfhunderter blitzen lassen

Am Tatabend sitzt er mit dem 20-Jährigen in jener Shisha-Bar auf einem Sofa. Sie sprechen mit gedämpfter Stimme. Heute soll es sein. Am Imbiss hat ihr Opfer wieder Fünfhunderter blitzen lassen. 2000 Euro sind dem 20-Jährigen versprochen. Den Rest der Beute wollen die beiden Freunde untereinander aufteilen, nachher am Friedhof. Der Freund des 25-Jährigen soll nur das Opfer im Blick und im Zweifel in der Bar halten, falls es vorzeitig gehen will. 500 Euro sollen sein Anteil sein.

„Geh, da kommt er“, fordert der 25-Jährige seinen Komplizen auf dem Sofa auf. Sie schreiben noch Kurznachrichten, telefonieren, um sich zur Übergabe der Sturmhaube und des Schlagstocks zu verabreden. „Hau ordentlich drauf“, sagt der 25-Jährige. „Er konnte ihn nicht leiden“, wird der Schläger später vor Gericht erzählen.

Die beiden Freunde beginnen mit ihrem Opfer eine nächtliche Tour. Sie fahren nach Stuttgart, besuchen eine Shisha-Bar, schlendern durch das Rotlichtviertel. Auf dem Rückweg halten sie an einem Sindelfinger Bordell. Der Mann mit dem Geld geht hinein, die beiden anderen warten. Den Rest der Strecke fährt das Opfer, obwohl ihm der Führerschein fehlt. Deswegen sind sie sicher, dass er sie bitten wird, ihn später nach Hause zu bringen. Sie parken den Audi in der Nähe ihrer Stammkneipe. Dort wächst Gestrüpp. Darin soll der Mann mit dem Schlagstock kauern.

„Da ist was im Gebüsch“, sagt der Mann mit den Geldscheinen

Zwei Männer kommen aus der Bar. „Da ist was im Gebüsch“, sagt der mit den Geldscheinen. „Wird nur ein Tier sein“, antwortet der 25-Jährige. Sie steigen in den Audi. Das Opfer sitzt bereits darin, als der Mann mit dem Schlagstock durch das Gestrüpp bricht. Er will die Beifahrertür aufreißen. Der Mann im Auto hält sie fest, verliert aber das Ringen um die Tür. Er wirft sich rücklings gegen den Fahrer, will den Angreifer mit Tritten abwehren. Der Schlagstock knallt auf sein linkes Knie, drei-, viermal. Er hechtet über den Fahrer hinweg hinaus und flieht zurück in die Bar. Sein Bein blutet. „Wir sind überfallen worden“, ruft er.

Die Haut ist blass, der Blick glasig, aber niemand denkt sich etwas

Der Wirt und Gäste rennen hinaus. Der 25-Jährige steht neben dem Auto. Seine Haut ist bleich, sein Blick glasig, aber niemand denkt sich etwas dabei. „Wo sind sie hin?“, fragt einer. Der 25-Jährige deutet in eine Richtung. Einige rennen los, andere bleiben. Kein Täter ist in Sicht. Der 25-Jährige fällt um in das Gebüsch. Er spricht nicht, regt sich nicht. Sie sind jung und erinnern sich an den Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein. Einer holt ihm die Zunge aus dem Mund. Zu zweit bringen sie den Körper in die stabile Seitenlage. Alle zusammen warten auf den Rettungswagen.

Sie folgen ihm und warten im Krankenhaus, bis die Todesnachricht kommt. Der Mann war nicht zu retten. Bei der Obduktion sind keine Verletzungen erkennbar. Das Ergebnis aller Ermittlungen bleibt: Der 25-Jährige starb eines rätselhaften Todes, aber eines natürlichen.

Die Tatnacht:
Dies ist der gerichtlich festgestellte Tatablauf. Verwandte und Freunde hatten versucht, die Beteiligung des Verstorbenen an dem Überfall zu vertuschen. Sie wollten sein Andenken rein halten. Das Landgericht urteilte aber, dass der 25-Jährige der Drahtzieher war.

Das Urteil
: Der Haupttäter mit dem Schlagstock muss für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Sein Komplize verließ das Gericht als freier Mann, aber belastet mit einer Bewährungsstrafe. Das Gericht verurteilte beide wegen Reiferückständen nach Jugendrecht.