Der russische Raumfrachter Progress, der eigentlich auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS sein sollte, lässt sich nicht mehr kontrollieren. In der kommenden Woche könnte er abstürzen. Wo, ist noch völlig offen.

Moskau - Die Hiobsbotschaft kam am Mittwoch gegen 12.30 Uhr Moskauer Zeit: Der Raumtransporter Progress M 27-M, der mit 2,5 Tonnen Nachschub zur Internationalen Raumstation ISS unterwegs ist, habe wohl mit der Selbstvernichtung begonnen, meldeten russische Nachrichtenagenturen. US-amerikanische Militärs hatten zuvor mehrere Dutzend Trümmerstücke gesichtet, die erdnah durch das All schwirren.

 

Bange machen gilt nicht, hieß es dennoch bei der Raumfahrtagentur Roskosmos und beim Flugleitzentrum nahe Moskau: Einen offiziellen Beschluss zur „Liquidierung“ des Raumfrachters gebe es bisher nicht, alles werde getan, um den außer Kontrolle geratenen Transporter zu retten. Retten, so dagegen ein Techniker, der anonym bleiben wollte, könne das Raumschiff „nur noch ein Wunder“. Dass es nicht so kommen würde, stand nur anderthalb Stunden später fest.

Das Flugleitzentrum, so Juri Karasch, korrespondierendes Mitglied der Russischen Weltraumakademie bei Radio Echo Moskwy, werde tatenlos zusehen müssen, wie sich der Transporter weiter zerstöre, und könne lediglich versuchen, vorauszusagen, wo jene Teile niedergehen, die beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre nicht verglühen. Zu den Risikozonen gehören seinen Worten nach weite Teile Europas, Nord- und Südamerikas sowie der Nahe Osten. Mit dem Absturz sei zwischen dem 7. und 11. Mai zu rechnen – ausgerechnet dann, wenn Russland den 70. Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg begeht.

Viele Pannen bei Roskosmos in letzter Zeit

Experten vermuten als Unfallursache eine Havarie beim Zünden der dritten Stufe der Sojus-Trägerrakete. Roskosmos wollte das bisher weder bestätigen noch dementieren. Der Transporter war am Dienstag vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gestartet und sollte am Donnerstag an die ISS andocken. Doch schon nach 20 Flugminuten gab es Probleme: Er war zwar auf den Bildschirmen des Flugleitzentrums zu sehen, sendete aber keine Daten und fuhr auch die beiden Antennen nicht aus, die für Annäherung und Andocken an die ISS erforderlich sind. Stabilisierungsversuche wurden dadurch erschwert, dass der Transporter begann, sich wie rasend um die eigene Achse zu drehen.

Den Technikern im Flugleitzentrum gelang es lediglich, die Progress-Kapsel auf eine provisorische Flugbahn umzulenken. Sie liegt höher als die eigentlich vorgesehene. Doch dort kann sich der Transporter nur bis Freitag halten, dann beginnt der Sinkflug. Ein kontrollierter Abschuss, bei dem die Trümmer über dem Stillen Ozean – weitab der üblichen Flug- und Schifffahrtsrouten – verglühen, scheint aus technischen Gründen nicht infrage zu kommen.

Kritische Beobachter sprechen von der Fortsetzung einer Pannenserie, wohlwollende von einer Pechsträhne, in der sich die russische Raumfahrt seit mehreren Jahren befindet. Bisheriger Höhepunkt: der Verlust von drei Satelliten für Glonass, ein globales Navigationssystem, Russlands Gegenentwurf zum US-amerikanischen GPS. Bei der Raunfahrtagentur Roskosmos wurden daraus personelle Konsequenzen gezogen. Jetzt, so wird in der Moskauer Gerüchteküche geraunt, würden sich Kreml und Regierung die nächsthöhere Ebene der Hierarchie vorknöpfen.