Es sind Szenen wie aus einem Film: In einer groß angelegten Razzia durchkämmen SEK-Beamte Stuttgart und Umgebung, in Fellbach stellen Ermittler kistenweise Beweismaterial sicher. Die Verdächtigen: Studenten der Stuttgarter Universität. Zeitgleich durchsuchen Beamte Objekte in Bayern, Sachsen und Belgien.

Stuttgart - Am Dienstagnachmittag ist von der Aufregung nichts mehr zu spüren. Am frühen Morgen hatten Beamte eines Sondereinsatzkommandos und des Landeskriminalamts ein Haus in einer ruhigen Fellbacher Wohngegend durchsucht. „Was, hier?“, wundern sich die Nachbarn, die von den Razzien nichts bemerkt haben. So schnell, wie sie kamen, sind die Ermittler wieder verschwunden. Kistenweise schleppten die Polizisten Beweismaterial aus einer Doppelhaushälfte. Sie suchen Belege dafür, dass zwei Männer mit vier Helfern Pläne für einen terroristischen Anschlag geschmiedet haben. Es geht um Geldwäsche zur Finanzierung von radikalislamisch motivierten Terroranschlägen sowie um deren technische Planung, die unheimlich klingt: Die Bundesanwaltschaft nimmt an, dass an Plänen gearbeitet wurde, Sprengstoffanschläge mit Modellflugzeugen zu verüben.

 

Die Doppelhaushälfte in Fellbach ist einer der neun Schauplätze in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Belgien, an denen die Ermittler am Dienstag zugriffen. Die Straße liegt am Rande der Landeshauptstadt. Die Theodor-Heuss-Kaserne auf der einen Straßenseite gehört zu Stuttgart, die Häuser mit den ungeraden Hausnummern gegenüber zählen schon zu Fellbach (Rems-Murr-Kreis). Von irgendwelchen Umtrieben der Nachbarn, in deren Vorgarten Baumaterial auf dem Rasen lagert, hat hier niemand etwas geahnt.

Die Verdächtigen haben an der Uni Stuttgart studiert

Am frühen Morgen waren die ersten Meldungen über die Razzien im Radio gelaufen, die Nachrichtenlage war diffus. Die Ermittler seien Islamisten auf der Spur, die einen Anschlag geplant haben sollen, hieß es. Wegen des Verdachts „der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“ und wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelten die Bundesanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Tatsächlich richten sich die Vorwürfe gegen zwei Männer tunesischer Herkunft, die an der Universität Stuttgart Ingenieurwissenschaften studiert haben. Dass es sich dabei um Luft- und Raumfahrttechnik handelte, wollte ein Unisprecher nicht bestätigen. In dieser Fakultät lernen die Studierenden auch, wie man ein Modellflugzeug konstruiert, baut und lenkt. Bereits im Mai 2012 hatte das Landeskriminalamt die Universität aufgefordert, es bei den Ermittlungen technisch zu unterstützen, berichtete der Sprecher.

Offenbar ist beziehungsweise war einer der Terrorverdächtigen Mitglied im Verein der tunesischen Akademiker in Stuttgart, wie dieser auf seiner Homepage mitteilt. „Wir distanzieren uns entschieden von solchen Aktivitäten und lehnen jegliche Art von Terrorismus ab“, heißt es dort.

„Es hat keine Verhaftung gegeben“

Neben den Wohnungen der beiden Männern, die im Zentrum der Ermittlungen stehen, wurden die Räume von vier weiteren Kontaktpersonen der Tunesier in München und Stuttgart durchsucht, die vor allem wegen der Geldbeschaffung für den militanten Dschihad verfolgt wurden. Eine weitere Person aus dem Umfeld der sechs wird der Geldwäsche verdächtigt. Über die Ergebnisse der Aktion schweigen die Behörden vorerst.

„Es hat keine Verhaftung gegeben“, sagt eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Ob ein Mann in Fellbach in Handschellen zur erkennungsdienstlichen Behandlung oder zur Vernehmung aus dem Haus geführt wurde, bleibt damit ungeklärt. Auch welche Rolle er in der Sechsergruppe spielen soll, ist „mit Blick auf die laufenden Ermittlungen“ nicht zu erfahren. Die Nachbarn wundern sich, dass ausgerechnet in dieser beschaulichen Gegend ein Terroranschlag seine Wurzeln haben soll. Schnell werden Vorurteile laut. „Es wohnen hier ja viele Ausländer“, sagen die einen. „Hier sieht man ja ab und zu auch so Bärtige mit so Gewändern“, sagen die anderen.

Solche Kommentare will der Fellbacher Oberbürgermeister Christoph Palm (CDU) nicht hören. Er verschickte eine Pressemitteilung, in der er vor Vorverurteilungen warnt. Man solle nicht alle Bürger muslimischen Glaubens einem Generalverdacht unterziehen: „Ich bin mir sicher, Fellbachs Muslime verurteilen die Vorbereitung von Anschlägen ebenso wie ihre nicht muslimischen Mitbürger.“