Die Südwest-SPD wertet den Spurwechsel von Sigmar Gabriel als klugen Schritt. Die Genossen hoffen darauf, dass Martin Schulz als Kanzlerkandidat der Partei neue Wähler bringt.

Stuttgart - Am Anfang steht der Schock - doch der weicht schnell einer breiten Zustimmung: So reagieren SPD-Mitglieder im Land auf Sigmar Gabriels Spurwechsel. „Mich hat es heute Nachmittag aus den Socken gehauen, ich habe damit nicht gerechnet“, sagt SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier. Auch Landtagsfraktionschef Andreas Stoch zeigt sich „sehr überrascht“. So wie sie äußern sich zunächst vielen Genossen. Beim einen oder anderen werden auch ungute Erinnerungen daran wach, wie Oskar Lafontaine und Kurt Beck einst den Bettel hingeschmissen hatten. Doch sobald die Nachricht durchsickert, dass der Noch-Wirtschaftsminister ins Außenamt wechselt und den Weg für Martin Schulz als Kanzlerkandidaten und Parteichef frei macht, überwiegt das positive Urteil.

 

Die Karten neu gemischt?

„Ich freue mich, in einer Partei zu sein, die mehr als eine geeignete Persönlichkeit für wichtige Führungspositionen hat“, sagt Breymaier. Und Stoch verweist auf die guten Zustimmungswerte für Schulz und die „große Anerkennung über die Parteigrenzen hinweg“. Dank seines konsequenten Auftretens auf internationaler Bühne und seines klaren Wertekompasses sei die Kanzlerkandidatur von Schulz für die SPD ein großer Gewinn und für die Wählerschaft ein gutes Angebot.

„Es ist ein konsequenter Schritt, dass Sigmar Gabriel die Kanzlerkandidatur nicht anstrebt“, meint Wolfgang Drexler. Im direkten Vergleich der Zustimmungswerte liege Gabriel klar hinter Angela Merkel, Martin Schulz schneide deutlich besser ab. „Das ist natürlich eine andere Ausgangslage für Schulz“, sagte der Landtagsvizepräsident. Gabriel sei schon sehr lange in der Politik, „ihm werden von der Bevölkerung mehrheitlich bestimmte Eigenschaften zuerkannt, die er offensichtlich nicht mehr los wird“, glaubt er. Schulz hingegen sei bundespolitisch ein Neueinsteiger.

Der Eindruck täuschte

„Ich finde, der Schritt von Sigmar Gabriel zeigt Größe“, sagte der frühere Landesinnenminister Reinhold Gall. Gabriel stelle die eigene Person zurück und übe Verzicht, „davor habe ich den größten Respekt“. Die Entscheidung habe ihn nicht wirklich überrascht, sagte Gall. Er habe Gabriel „immer für einen Verantwortungspolitiker gehalten“. Roman Zitzelsberger, IG-Metall-Chef im Land und Beisitzer im SPD-Landesvorstand, meint, dass mit Schulz ein Politiker antritt, „der sehr stark für die Idee eines vereinten Europas steht, was momentan sicherlich gut ist“.

Der frühere Landesvorsitzende Nils Schmid hätte Gabriels Schritt nicht erwartet. „Mein Eindruck war, dass Sigmar Gabriel sich auf die Kanzlerkandidatur vorbereitet“, sagte der frühere Finanz- und Wirtschaftsminister. Er wäre „als Parteivorsitzender sicher auch ein sehr guter Kanzlerkandidat gewesen“. Allerdings: Martin Schulz sei „natürlich auch ein sehr guter Kandidat“. Dadurch, dass er zugleich den Parteivorsitz übernehmen soll, „ist auch gewährleistet, dass Programm und Kandidat eins sind“, sagte Schmid.

Respekt und Hochachtung

Auch an der Basis kommt Gabriels Schritt gut an: „Je länger ich darüber nachdenke, desto besser finde ich Gabriels Schritt“, meint Nik Sakellariou, Kommunalpolitiker und Kreisvorsitzender von Schwäbisch Hall. Denn Gabriel biete der Partei und dem Wähler ja eine Alternative. Dass in diesen für Europa schwierigen Zeiten ein solcher Power-Mann Chefdiplomat werde, sei ein gutes Zeichen.

So sieht es auch Roman Götzmann, der Oberbürgermeister von Waldkirch im Schwarzwald. „Ich habe große Hochachtung vor der Entscheidung, sie ist insgesamt ein gutes Zeichen“, sagt der frühere Büroleiter von Europaminister Peter Friedrich. Was Schulz angeht, sieht Götzmann die Karten nun wieder neu gemischt. „Der Wähler ist von der Entscheidung ja auch überrascht.“

Die Jusos kommen zu einem ähnlichen Urteil: „Wir gehen zu hundert Prozent motiviert in den Wahlkampf“, sagt Landeschef Leon Hahn. Martin Schulz werde der SPD mit seiner hohen Authentizität und als glühender Verfechter Europas ein hervorragender Kanzlerkandidat sein.