Bildungs-, Umwelt- und Wohlfahrtsverbände, aber auch Gewerkschaften hoffen auf Grün-Rot - und auf eine Einlösung der Wahlkampfversprechen.

Stuttgart - Peter Hauk trug es mit Fassung. Immer wieder habe es bei Ministerpräsidentenwahlen auch Jastimmen aus den Reihen der Opposition gegeben, stellte der Chef der CDU-Fraktion fest. Er sehe das Ergebnis für Winfried Kretschmann als Vertrauensbeweis für dessen Person. Hauk, ansonsten verlässlicher Träger grüner Krawatten, hatte am Donnerstag bewusst die Farbe gewechselt und auf Weiß-Grau gesetzt, "aber nur heute".

 

Bedenklich findet Hauk einen Plan der neu gewählten Regierung. Entgegen dem bisherigen Brauch soll die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten und die Aussprache darüber im Parlament in zwei Wochen am gleichen Tag stattfinden. Bisher gab es die Debatte eine Woche nach dem Auftritt des Regierungschefs. Ein Tag sei der der Regierung gewesen, der andere der des Parlamentes. Werde beides zusammengefasst, werde die Bedeutung des Landtags gegenüber der Regierung zurückgedrängt. Das stehe im Widerspruch zum angekündigten Regierungsstil von Grün-Rot.

"Wahlkampfversprechen sollen nicht in der Schublade verschwinden"

Sein Kollege Hans-Ulrich Rülke von der FDP sinnierte über das Ergebnis: "Es gibt wahrscheinlich bei der CDU einige, die seit knapp 60 Jahren gewöhnt sind, bei Ministerpräsidentenwahlen mit Ja zu stimmen. Denen ist die Umstellung noch nicht so ganz gelungen."

"Wenn wir auch in der einen oder anderen Sachfrage unterschiedlicher Auffassung sind, so möchte ich Ihnen gerne die Hand für eine offene und faire Zusammenarbeit reichen", erklärte der Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) in seinem Glückwunschschreiben an Kretschmann - verbunden mit einer Einladung ins Rathaus.

Hoffnungsfroh gaben sich die Interessenverbände jeglicher Ausrichtung. Die Bildungsgewerkschaft GEW gratulierte "ihrem langjährigen Mitglied" und erwartet, "dass die vielen Wahlkampfversprechen zur Verbesserung der Bildungseinrichtungen jetzt nicht in der Schublade verschwinden, sondern konsequent umgesetzt werden". Der Verband Bildung und Erziehung "legt Wert darauf", dass der für Stuttgart 21 vorgesehene Stresstest nicht auch auf die Bildungspolitik angewandt wird. Die Schulen "sehnen sich nach einer Zeit", in der kontinuierliches Arbeiten möglich werde.


"Die Erwartungen an den Ministerpräsidenten und die neue Landesregierung sind hoch - doch erfüllbar", sagte die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Brigitte Dahlbender. Man erwarte eine deutliche Veränderung in der Politik: Weg von der "kleinteiligen Projektitis" der alten Landesregierung hin zu einer "erfolgreichen Umsetzung einer zukunftsfähigen Politik in unserem Land". Auch der Naturschutzbund (Nabu) setzt große Hoffnungen in die Arbeit der neuen Landesregierung und wird mit "Grün-Rot konstruktiv, und falls nötig, wie gewohnt kritisch zusammenarbeiten", so der Nabu-Landesvorsitzende Andre Baumann.

Eine "konstruktiv kritische Begleitung" kündigte auch der DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf an. Er sieht "die Chance, Arbeits- und Lebensbedingungen für alle Menschen in Baden-Württemberg neu und vor allem gerecht zu gestalten".

Württembergs Landesbischof Otfried July wünschte Kretschmann Gottes Segen. Sein badischer Kollege Ulrich Fischer hofft auf neue Akzente - "etwa bei den Themen Asyl und Energie". "Von Herzen" gratulierte der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst. Die Diakonie Baden und Württemberg bot Hilfe an, "damit das Land auch im sozialen Bereich bundesweit einen Spitzenplatz einnimmt". Man freut sich, dass alte sozialpolitische Forderungen "Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben". Auch die Caritasverbände Freiburg und Rottenburg-Stuttgart sind bereit, "die neue Landesregierung in ihrem Bemühen um eine soziale und gerechtere Gesellschaft zu unterstützen". Der Koalitionsvertrag lasse "positive Ansätze für eine konstruktive Zusammenarbeit" erkennen.


Dienstwagen Kretschmann wird schon bald den Dienstwagen seines Vorgängers Stefan Mappus (CDU) ablösen. Das ist ein S 600 mit weit über 500 PS, der 24 Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Eine Mercedes-Limousine soll es auch sein, die auch gepanzert ist, im Schnitt aber nur zehn Liter auf 100 Kilometer schluckt. Das Wunschziel: noch weniger.

Leibwächter Anspruch auf Personenschutz haben in der Landesregierung der Ministerpräsident, der Innenminister und der Justizminister. Alle drei gelten als potenziell gefährdet und sie werden - notfalls rund um die Uhr - von speziell geschulten Beamten bewacht. Dieses Schicksal wird auch einem grünen Ministerpräsidenten winken.

Dienstwohnung Der Ministerpräsident kann eine landeseigene Villa gut acht Kilometer westlich vom Stuttgarter Zentrum auf dem Gelände von Schloss Solitude bewohnen. Er muss aber den Mietpreis von mehreren Tausend Euro selbst zahlen. Dass Kretschmann in das zweigeschossige, repräsentative Gebäude einzieht, wird allerdings bezweifelt.