Die Frauen des Moscheevereins und islamische Gruppen begrüßen das jüngste Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts.

Sindelfingen - Natürlich freuen wir uns sehr über dieses Urteil. Es gibt nun Hoffnung für Mädchen, die gerne den Beruf der Erzieherin ergreifen möchten“, sagt Yasemin Yüzbasi vom muslimischen Frauenvereins Nisa in Sindelfingen. Am Montag hatte das Bundesverfassungsgericht einen jahrelangen Rechtsstreit zu Gunsten einer muslimischen Erzieherin entschieden. Sie hatte dagegen geklagt, dass ihr Arbeitgeber, die Stadt Sindelfingen, ihr das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeit untersagt und sie für die Missachtung dieses Verbots abgemahnt hatte.

 

Die höchste richterliche Instanz erlaubt Frauen nun, in einem öffentlichen Kindergarten ein Kopftuch zu tragen. Die zweite Kammer des Ersten Senats entschied einstimmig, dass durch die anderslautenden Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des baden-württembergischen Landesarbeitsgerichts die Klägerin in ihren Grundrechten verletzt werde. Das Tragen eines Kopftuchs sei nicht von vornherein dazu angetan, die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Kindergartenkinder zu beeinträchtigen. Solange die Erzieherinnen nicht die Kinder missionierten, werde deren Glaubensfreiheit nicht beeinträchtigt.

Auch die Frauen von Nisa kennen nicht nur abschätzige Blicke wegen des Kopftuchs, das die meisten Mitglieder des muslimischen Frauenvereins tragen, sondern auch konkrete Benachteiligungen. „Ich kenne viele, die so gern Lehrerin oder Erzieherin sein möchten, unter anderem meine Tochter, aber dafür keine Chance sehen“, sagt Yüzbasi. „In einer Zeit, in der es viel Negatives gibt, ist es hervorragend, von etwas so Positivem wie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überrascht zu werden. Es wäre schon, wenn damit auch dem Mangel an Lehrern und Erziehern ein wenig beizukommen wäre.“

Wie will die Stadt Sindelfingen nun reagieren? Auf den Fall der Klägerin habe das Urteil keine Auswirkung mehr, sagt die Pressesprecherin Nadine Izquierdo, denn diese sei nicht mehr bei der Stadt beschäftigt. „Die Stadt hat in der Vergangenheit die Landesgesetzgebung angewandt und wird dies unter Beachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auch weiterhin tun. Hinsichtlich der Personalauswahl für die Kindertagesstätten steht die Qualifizierung des Bewerbers im Vordergrund. Auch muss der Bewerber die gebotene Neutralitätspflicht wahren.“, so lautet das offizielle Stellungnahme der Stadtverwaltung.

Die betroffene Erzieherin selbst möchte sich zu ihrem Fall nicht öffentlich äußern und auch keine Details über ihre Person nennen. Ihr Stuttgarter Anwalt Knut Schnabel, der sie auf dem Rechtsweg begleitet hat, freut sich über die Entscheidung. „Das Gericht sagt, dass das Tragen eines Kopftuchs in Deutschland Realität ist.“ Erleichtert ist auch Nuray Gülec vom Vorstand der Sindelfinger Ditib-Moschee. Die Radiologieassistentin, die ihren Kopf bedeckt, seit sie zwölf Jahre alt ist – „freiwillig,“ wie sie betont – darf dies an ihrem Arbeitsplatz, der Tübinger Universitätsklinik, nicht. Sie sieht die Entscheidung des höchsten Gerichts als ein positives Signal für berufstätige Muslimas.