Das Kernkraftwerk Neckarwestheim I soll nun endgültig abgeschaltet werden. Der Rückbau ist allerdings sehr kompliziert.    

Stuttgart - Geht es nach dem Willen der Landesregierung, dann wird der betagte Reaktor Neckarwestheim I nun endgültig stillgelegt. Damit reiht er sich in eine lange Reihe kerntechnischer Anlagen ein, die in Deutschland bereits außer Betrieb genommen wurden und nun rückgebaut werden. Weltweit verfügt die Bundesrepublik wohl über die meisten Erfahrungen bei der Demontage ausgedienter Atomanlagen. Auch der erste vollständige Rückbau bis zur berühmten "grünen Wiese" wurde hierzulande bewerkstelligt: Am 17. August 1995 war der bayerische Reaktor Niederaichbach als erstes ehemals verstrahltes Atomkraftwerk vollständig beseitigt worden. Und mit der Beseitigung des von den Russen gebauten Druckwasserreaktors in Greifswald findet das weltweit derzeit größte Stilllegungsprojekt in Mecklenburg-Vorpommern statt.

 

Wie aber legt man ein Kernkraftwerk still? Zunächst wird es - wie auch bei einer Revision - heruntergefahren. Dazu werden die sogenannten Steuerstäbe zwischen den Brennstäben ausgefahren. Sie fangen die bei der Kernspaltung entstehenden Neutronen ab und unterbrechen somit die atomare Kettenreaktion. Doch damit ist der Meiler noch lange nicht stillgelegt. So müssen beispielsweise die Brennstäbe noch mehrere Jahre gekühlt werden.

Grundsätzlich gibt es für den Betreiber zwei Möglichkeiten nach dem endgültigen Abschalten einer kerntechnischen Anlage. Zum einen können alle Teile zunächst einmal durch bauliche und technische Maßnahmen so gesichert und hermetisch abgeriegelt werden, dass sie über lange Zeit hinweg für die Umwelt keine Gefahr darstellen. Dieser sogenannte sichere Einschluss dient dazu, die Radioaktivität im Innern der Anlage so weit wie möglich abklingen zu lassen, damit das Kraftwerk später leichter demontiert werden kann.

Deutsche Ingenieure und Forscher haben Pionierarbeit geleistet

Die andere Möglichkeit ist, sofort nach der sogenannten Nachbetriebsphase mit dem Abbau zu beginnen. Das hat den Vorteil, dass man das Wissen der alten Bedienmannschaft nutzen kann. In Greifswald wird dieses Verfahren angewandt. Und auch bei dem im Mai 2005 abgeschalteten Meiler in Obrigheim sammelt der Neckarwestheim-Betreiber EnBW auf diese Weise derzeit eigene Erfahrungen im Rückbau.

Dabei werden zunächst die nicht radioaktiv belasteten Gerätschaften aus dem Gebäude geholt, beispielsweise Turbinen, Wasserleitungen und Elektrokabel. Dann folgt der manuelle Abbau der schwach kontaminierten Teile. Im dritten und kompliziertesten Teil wird schließlich all das Material abgebaut und endlagergerecht verpackt, das in der aktiven Phase des Reaktors stark verstrahlt worden war. Hier kommen dann auch ferngesteuerte Gerätschaften zum Einsatz.

Dabei haben deutsche Ingenieure und Forscher Pionierarbeit geleistet. Eines ihrer Hauptprobleme war, dass man beim Bau der Meiler keine Gedanken an den späteren Abriss verschwendete, sondern nach gut deutscher Manier für die Ewigkeit baute und schweißte. Das bereitete anfänglich vor allem in der "heißen" Abbauphase Probleme und verlangte neue Lösungen. So mussten etwa bei der "Pionierdemontage" des Niederaichbacher Reaktors erst Geräte entwickelt werden, mit denen sich verstrahlte Teile demontieren lassen.

2300 Tonnen extra zu entsorgender radioaktiver Abfall

Das Ganze ist recht langwierig und teuer dazu. Beim Obrigheimer Meiler wird mit einer Abbauzeit von etwa zehn Jahren gerechnet. Dabei sind den Berechnungen zufolge rund 275.000 Tonnen Material zu entsorgen, 2300 Tonnen davon gelten als extra zu entsorgender radioaktiver Abfall. Die Kosten werden auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt - beim größeren Neckarwestheimer Reaktor dürften es sicherlich mehr werden. Getragen werden sie aus den entsprechenden Rücklagen, die die Betreiber zu diesem Zweck bilden mussten.

Unklar ist, wie die stark verstrahlten Teile der alten Reaktoren letztlich endgelagert werden. In Obrigheim verbleiben die 342 abgebrannten radioaktiven Brennelemente zunächst bis zu 40 Jahre lang in einem Zwischenlager, das auf dem Werksgelände errichtet wurde. Die künftige Lagerung des atomaren Restmülls ist dagegen geklärt: Das niedersächsische Endlager Konrad soll auch diejenigen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aufnehmen, die beim Rückbau von Kernkraftwerken entstehen. Nach derzeitiger Planung soll es 2013 in Betrieb gehen.