Mit einer Abschlussveranstaltung im September geht das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart zu Ende. Nun werden Menschen gesucht, die Teil einer „lebendigen Statistik“ werden.

Stuttgart - Wissenschaft macht Spaß. Wer auf die bereits bekannten und erlebbaren Ergebnisse des seit dem Jahr 2015 arbeitenden Reallabors für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart blickt, kann ein verschmitztes Grinsen kaum unterdrücken. Die Stäffele-Galerie etwa, die die für Stuttgart so typischen Freilufttreppen neu nutzte. Oder die Parklets, die in der Innenstadt für Autos reservierte Plätze anderen Zwecken zuführten und damit einen Kontrapunkt setzten zum erbittert-langweiligen Streit zwischen Handel und Stadtverwaltung.

 

In einigen Wochen ziehen die Wissenschaftler, Forscher und beteiligten Bürger Bilanz, und – wie es sich gehört – wollen sie die dreitägige Abschlussveranstaltung vom 21. bis 23. September im Hospitalhof mit etwas ganz Besonderem bereichern. „Wir suchen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine lebendige Statistik“, sagt Elke Uhl, Geschäftsführerin des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung an der Universität Stuttgart.

Lebendige Statistik – was ist das?

Lebendige Statistik – hinter diesem Namenspaar, das nicht so recht zusammenpassen will, verbirgt sich die Idee, dass 50 Personen aus Stuttgart das Verkehrsgeschehen in der Stadt repräsentieren. Sie vertreten, statistisch korrekt, die Anteile der Auto- und Radfahrer, der Bewohner in Innenstadt und Außenbezirken, Männer und Frauen, Kinder und Senioren. „Diese große repräsentative Runde wird dem Durchschnitt der aktuellen Verkehrsmittelwahl ein Gesicht geben“, sagt Organisator Johannes Heynold. Jeder Teilnehmer verkörpere dann rund 12 000 Stuttgarter. In Kooperation mit dem Theater Rampe sollen die Beteiligten der lebendigen Statistik sich dann zu Fragen der Mobilität positionieren und sich an der Debatte über deren Zukunft beteiligen (siehe auch „Freiwillige gesucht“ auf dieser Seite).

Ausgehend von den sattsam bekannten Verkehrsproblemen in Großstädten von Luftbelastung über Stau und Lärm bis zum Platzverbrauch und der besonderen Situation der Autostadt Stuttgart, die vom Fahrzeugbau wirtschaftlich geprägt ist und in der das Automobil einen wichtigen Identifikationsfaktor darstellt, hat sich das Reallabor mit dem Wandel zu einer nachhaltigen Mobilität befasst. „Wir möchten Denkanstöße, Visionen und konkrete Projekte eines guten und nachhaltig mobilen Lebens auf den Weg bringen“, sagt Heynold.

Raus aus dem Elfenbeinturm

Neu ist dabei der Ansatz, dass „nicht von außen über Menschen und ihr Verhalten geforscht wird“, wie Uhl sagt, „sondern Wissenschaft und Stadtgesellschaft gemeinsam an Lösungen arbeiten“. Deshalb sind an dem Reallabor nicht nur Wissenschaftler verschiedener Institute der Universität Stuttgart beteiligt – vom Städtebau über Sport bis zur Soziologie. Mitgemacht hat auch eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Kooperations- und Netzwerkpartner. Darunter sind Stadt und Verband Region Stuttgart, Verbände und Vereine aus dem Verkehrsbereich, aber auch verkehrliche und kulturelle Initiativen sowie private Mobilitätsanbieter.

„Wir wollen raus aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft“, sagt Uhl, „die Reallabore sind die Plattform für einen Wissenstransfer von beiden Seiten – von Wissenschaft und von Bürgern.“ Deshalb wird das Reallabor auch vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium und vom Umweltbundesamt gefördert.

In diesem Prozess wurden die Ideen für Realexperimente geboren, aus denen schließlich im Jahr 2016 sechs Projekte ausgewählt wurden. Neben den viel beachteten Projekten wie Stäffele-Galerie und Parklets gehören dazu auch Überlegungen zur Mobilität rund um das Marienhospital, die Bürger-Rikscha, mit der Senioren ohne Auto mobil sein können, eine online gestützte Lastenrad-Ausleihe und eine Plusrad-App, die Anreize setzt für das Radfahren in der Stadt und dies belohnt.

Alle Fakten rund um die Abschlussveranstaltung

Vom Donnerstag, 21., bis Samstag , 23. September stellt das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart die Ergebnisse seiner knapp dreijährigen Arbeit vor. Die Veranstaltung findet im Hospitalhof, Büchsenstraße 33, statt. Dabei wird auch eine lebendige Statistik eine Rolle spielen. Das Reallabor hat zum Mobilitätsverhalten geforscht und experimentiert. Doch wie steht die Stuttgarter Bevölkerung dazu? Sind die Menschen bereit, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern? Dazu werden 50 Personen gesucht, die repräsentativ für Stuttgart sind und jeweils mehr als 12 000 Bürger repräsentieren – also 21 Autofahrer, drei Radfahrer, 13 Fußgänger und 13 ÖPNV-Nutzer. Unter den 25 Männer und 25 Frauen sollten beispielsweise sechs aus Bad Cannstatt drei aus Zuffenhausen kommen, fünf sollten älter als 75 Jahre alt sein und zwölf zwischen 30 und 44 Jahren. Sie sollen sich in der Veranstaltung zu Fragen der Mobilität positionieren.

Wer sich an der lebendigen Statistik beteiligen will, sollte am Freitag, 15. September, um 19 Uhr Zeit haben für eine Generalprobe im Hospitalhof, Büchsenstraße 33. Die Aktion findet dann im Rahmen der Abschlusstage am Donnerstag, 21. September, von 19 bis 21 Uhr im Hospitalhof statt. Anmelden kann man sich unter mitmachen@r-n-m.net und der Telefonnummer 07 11/6 85-8 37 46. Weitere Informationen gibt es unter www.r-n-m.net.

Ein Lastenrad-Rennen zum Abschluss

Die Abschlusstage starten am 21. September um 19 Uhr mit Begrüßungsreden von Helmut Messer vom Wissenschaftsministerium und Unirektor Wolfram Ressel. Daran schließt sich ein Podiumsgespräch an, an dem auch die lebendige Statistik beteiligt ist. Um 21 Uhr öffnet die Ausstellung „Stuttgart in Bewegung". Am Freitag, 22. September, findet eine Fachtagung des Umweltbundesamts statt, in der es um neue Wege in der transformativen Umweltpolitik geht. Am Abend ist um 19 Uhr ein Podiumsgespräch geplant.

Am Samstag, 23. September, beginnt der Tag mit verschiedenen Aktionen und Workshops zu Realexperimenten um 9.30 Uhr. Um 18 Uhr steigt ein Lastenrad-Rennen.