Unter der Bestenliste der „Sachbücher des Monats“ findet sich ein rechtsextremes Werk: „Finis Germania“ des Heidelberger Historikers Rolf Peter Sieferle.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Auf die aktuelle Sachbuch-Bestenliste, die die „Süddeutsche Zeitung“ gemeinsam mit dem NDR veröffentlicht, ist ein rechtsextremes Buch geraten: der aus dem Nachlass des im letzten Jahr aus dem Leben geschiedenen Historikers Rolf Peter Sieferle zusammengestellte Band „Finis Germania“. Er ist im AntaiosVerlag des Wortführers der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, erschienen, einer Plattform für Deutschtümelei und Fremdenhass. In „Finis Germania“ erklärt Sieferle Auschwitz, immer in Anführungszeichen geschrieben, zum letzten Mythos einer durchrationalisierten Welt, schwadroniert von der ethnischen und kulturellen Auslöschung des deutschen Volkes und empfiehlt einen „nationalen Sozialismus“ als Zukunftsweg.

 

Der Juror, der das Buch empfohlen hatte, ist am Montag zurückgetreten. „Mit der Empfehlung des Buches habe ich bewusst ein sehr provokantes Buch der Geschichts- und Gegenwartsdeutung zur Diskussion bringen wollen“, teilte Johannes Saltzwedel vom „Spiegel“ mit. Er habe gleichwohl das Renommee der Sachbuch-Bestenliste nicht beschädigen wollen.

Der Fall Sieferle ist insofern bemerkenswert, als der Heidelberger Gelehrte als Wirtschaftshistoriker einen glänzenden Ruf genossen hat. Sein Essay „Rückblick auf die Natur“ gilt als Standardwerk einer Naturgeschichte der menschlichen Gesellschaften. Immer wieder musste er sich freilich der Kritik an einer allzu großen Nähe seiner pessimistischen Zivilisationsdiagnose zum Programm einer „konservativen Revolution“ erwehren.

Extremistische Tiraden eines schwerkranken Gelehrten

Sieferle trat zuletzt als glühender Kritiker von Angela Merkels Flüchtlingspolitik hervor, schon da mit zweifelhaften Zuspitzungen. So prophezeite er den Zustrom von Hunderttausenden von Dschihadisten nach Deutschland. Mag diese Auffassung noch im Rahmen einer kritisch-kontroversen Auseinandersetzung durchgehen, ist sein Band „Finis Germania“ eindeutig ins Gebiet völkischer Verschwörungstheorie übergelaufen, jenseits aller Grenzen des Konsensfähigen. Die einzige Frage, die sich stellt, ist die, was an den extremistischen Tiraden eines schwerkranken Gelehrten, die gar nicht er selbst, sondern erst seine Witwe zur Veröffentlichung freigegeben hatte, lesenswert sein soll.

Die „Süddeutsche“ distanzierte sich von der Empfehlung und erklärte ihr Zustandekommen mit dem intransparenten Punktesystem, nach der die aus namhaften Kulturjournalisten und Wissenschaftlern zusammengesetzte Jury ihre Wertungen vergibt. Andreas Wang vom NDR, verantwortlicher Redakteur er Jury, sagte, man werde das Verfahren derart erneuern, dass keine Platzierung eines einzelnen Mitglieds der Jury möglich sei. Jens Bisky, der Sachbuch-Kritiker der Zeitung, trat aus Protest aus dem Gremium zurück. Der NDR, der an den „Sachbüchern des Monats“ seit mehr als 15 Jahren beteiligt war, setzte die Zusammenarbeit vorübergehend aus.