Die Rechtsextremisten melden weitere Demonstrationen im Oktober an. Um zu verhindern, dass die Ausschreitungen vom Samstag zu einer Tradition werden, sucht die Stadt nach neuen Wegen – bisher vergeblich.

Göppingen - Inzwischen kann man in Göppingen wohl sagen: nach der Demo ist vor der Demo. Denn schon jetzt haben Rechtsextremisten Aufmärsche in den kommenden Jahren angekündigt. Sie wollen in den nächsten sieben Jahren, wie bereits in diesem und im vergangenen Jahr jeweils an einem Wochenende im Oktober, durch die Stadt ziehen – lediglich im Jahr 2019 soll es aus unbekannten Gründen keinen Aufmarsch geben.

 

Aus Sicht der Göppinger Stadtverwaltung ist damit der „worst case“, der schlimmste Fall, Wirklichkeit geworden: Die Aufmärsche der Neonazis – und damit auch die Störmanöver von Gegendemonstranten – könnten zu einer Tradition werden; mit allen negativen Folgen, wie sich erst am Samstag wieder gezeigt hat, als beim jüngsten Neonazi-Aufmarsch sieben Polizisten und rund 70 Gegendemonstranten verletzt wurden. Während linke, selbst ernannte „Demonstrationsbeobachter“ den Einsatz der Polizei als unverhältnismäßig kritisieren, sagt der Göppinger Polizeipressesprecher Rudi Bauer: „Konfliktträchtige Situationen entstanden durch angereiste gewalttätige Gruppen aus der linken Szene, die massiv Polizeiabsperrungen angriffen.“

Kritik muss die Polizei sich auch von der Deutschen Journalisten-Union gefallen lassen: Pressevertreter seien trotz Presseausweis teils nicht zum Orts des Geschehens gelassen worden. „Kompetent und souverän ist etwas anderes“, urteilt der Medien-Sekretär Gerhard Manthey.

Strategie der Stadt ist gescheitert

Die Strategie, mit Gegendemonstrationen und Veranstaltungen zu zeigen, dass Göppingen eine friedliche Stadt ist, die nichts für Rechts- oder Linksextremisten übrig hat, ist gescheitert. Weder die Stadtverwaltung, noch die Mehrzahl der Einzelhändler oder Bürger ist mit dem Verlauf des Samstags zufrieden. Zwar blieben Jagdszenen quer durch die City wie im vergangenen Jahr aus, doch dafür musste immerhin ein großer Teil der nordwestlichen Innenstadt abgesperrt werden. Friedliche Bürger konnten viele Straßen nicht erreichen, die wenigen Geschäfte, die geöffnet hatten, machten deutlich weniger Umsatz als üblicherweise, und die Kosten für den Einsatz der mehr als 2000 Polizisten liegen nach Auskunft des Polizeisprechers Bauer bei rund einer Million Euro.

Der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till plädiert deswegen dafür, den Neonazis künftig am eigentlichen Demonstrationstag die kalte Schulter zu zeigen und ganz auf jedes Auftreten zu verzichten. Stattdessen setze er auf Veranstaltungen wie die der Stadt am Freitagabend.

Linke nehmen Gesetzt selbst in die Hand

Derweil scheinen sich sowohl das rechte Lager rund um die Göppinger Neonazis aus den Reihen der Autonomen Nationalisten als auch Teile des linken Lagers weiter zu radikalisieren. So wollen offenbar einige der Göppinger Antifaschisten nicht begreifen, dass die Gerichte das Recht auf freie Meinungsäußerung so hoch einschätzen, dass sie den Aufmarsch der Rechtsextremisten zuließen und dass die Polizei deswegen verpflichtet war, den Neonazis den Weg frei zu halten.

Bereits am Freitagabend hatten Linke das Recht deswegen selbst in die Hand genommen und die Gartenhütte eines Mannes aus dem Umfeld der Autonomen Nationalisten aufgebrochen und durchsucht. Im Internet präsentieren sie ihre Funde auf Bildern, in Pressemitteilungen der Gruppierung ist die Rede von Schusswaffen und Propagandamaterial. Die Linken kritisieren, dass die Polizei zu wenig gegen die Gefahr von rechts unternehme. Obwohl der Vorsitzende des Vereins Kreis Göppingen nazifrei, Alex Maier, von Unbekannten in einem Schreiben an eine Lokalzeitung mit dem Tod bedroht worden war.

Rechte Demonstranten haben Kontakte zum NSU-Umfeld

Die Polizei bestätigt, dass es den Einbruch gab, allerdings handle es sich bei den „Schusswaffen“ nach Kenntnis der Ermittler um Paintball-Waffen und Schreckschusspistolen, also zulassungsfreie Waffen. Darauf machen, zwischen viel Jubel über die „gelungene Aktion“, auch einige kritische Kommentarschreiber aus Antifa-Kreisen im Internet aufmerksam.

Die rechte Szene gibt sich derweil zumindest nach außen hin friedlich. Auf der Demonstration am Samstag kritisierten die Redner immer wieder die „linken Gewalttäter“, als könnten sie selbst kein Wässerchen trüben. Doch mitten unter den 141 Neonazis, die durch Göppingen marschierten, befanden sich Rechtsextremisten aus dem direkten Umfeld des terroristischen NSU (nationalsozialistischer Untergrund, die Gruppe um Beate Zschäpe), etwa der Bruder des im NSU-Prozess Angeklagten André E, Maik E., oder Karl-Heinz Statzberger, der für die Szene aus dem Prozess berichtet und enge Kontakte zu den Angeklagten pflegen soll.

Der Verfassungsschutz beobachtet die Göppinger Szene unter anderem deswegen eingehend. Auch das Landeskriminalamt hat die Kontakte registriert. Der Esslinger Extremismus-Forscher Kurt Möller drückt die Sache so aus: Dass man Leute aus dem Unterstützerkreis des NSU hofiert habe, zeige, dass auch die Neonazis aus dem Kreis Göppingen „augenscheinlich Sympathie für das Umfeld des NSU und damit letztlich für den rechtsextremen Terror hegen“.