Mit fragwürdigen Tricks sind rechtswidrige Zulagen für Professoren in Ludwigsburg hingebogen worden. Eine Ministerialrätin empörte sich intern, Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) verteidigt die „Umdeutung“.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Ministerialrätin Monika S. war in schweren Gewissensnöten. Keine Ruhe ließ es der als hoch korrekt geltenden Besoldungsrechtsexpertin des Finanzministeriums, was sie bei einer Besprechung zur Hochschule Ludwigsburg gehört hatte; selbst am Wochenende trieb es sie um. Am Montagmorgen schließlich – es war der 4. März 2013 um 8.29 Uhr – tat sie etwas, was sie in ihrem Berufsleben noch nie getan hatte: „Zum ersten Mal“ sehe sie sich veranlasst, im Nachgang zu einem Treffen Stellung zu nehmen.

 

Bei der Besprechung zu den umstrittenen Zulagen für Ludwigsburger Professoren, bekannte S. in einer Mail an die Teilnehmer aus ihrem Haus, aus dem Wissenschaftsministerium und dem Landesamt für Besoldung, habe es ihr „nach und nach die Sprache verschlagen“. Wenn sie sich nicht verhört habe, dann seien an die Hochschulleitung Sätze wie die folgenden gerichtet worden: „Achten Sie darauf, dass die Akten sauber sind“, „die Jahresfrist in § 48 Landesverwaltungsverfahrensgesetz hat schon in so manchen Fällen geholfen“. Dies wären für sie „schlicht inakzeptable Äußerungen, die ich nie und nimmer mittragen könnte“. Denn es würde aus ihrer Sicht bedeuten, dass der Rektorin und der Kanzlerin – an beide ging die Mail ebenfalls – nahegelegt worden wäre, „die Akten zu frisieren“ und die Frist von einem Jahr, in der rechtswidrige Verwaltungsakte korrigiert werden können, „durch Nichtstun verstreichen zu lassen“. Die Professoren, denen zu Unrecht Leistungszulagen gewährt worden seien, bekämen diese damit dauerhaft.

Kurz vor dem Ruhestand noch Geld verteilt

Die jetzt bekannt werdende Remonstration dürfte auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart hellhörig machen. Seit die StZ das Gemauschel über die Zulagen im November öffentlich machte, laufen dort Vorermittlungen; ob daraus ein formelles Verfahren wird, ist laut einer Sprecherin immer noch offen. Dass der Vorgang die Justiz interessieren könnte, hatte man auch im Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer (Grüne) erkannt. Oberste Devise war freilich, nichts nach draußen dringen zu lassen, dem „Hochschulfrieden“ zuliebe. Dabei basierten die Zulagen an 17 Professoren, die der frühere Rektor Walter Maier kurz vor seiner Pensionierung gewährt hatte, auf einer unbestritten rechtswidrigen Grundlage; dies bestätigten zwei Gutachten. Offiziell handelte es sich um Leistungszulagen, faktisch aber wurden sie allein nach Dienstalter gezahlt; jährliche Mehrbelastung für die Hochschule: 90 000 Euro. Intern rumorte es deshalb.

Als die neue Rektorin Claudia Stöckle die Nachfolge Maiers antrat, kam dies als eines der ersten Probleme auf ihren Tisch. Möglichst geräuschlos, war offenbar die Vorgabe, solle sie es aus der Welt schaffen. Wie das bewerkstelligt wurde, schildert Ministerin Bauer jetzt in der Antwort auf eine Anfrage der Landtags-FDP. Ihr Haus habe eine „rechtskonforme Umdeutung“ der Aufschläge in Leistungszulagen für vertretbar gehalten, sofern die Empfänger wirklich „Leistungsträger der Hochschule“ seien; die Klärung in den Einzelfällen „lag aber allein bei der Hochschule selbst“. Ergebnis laut Bauer: in allen 17 Fällen habe es sich um Leistungsträger gehandelt; deshalb seien sie „im Ergebnis zu Recht“ bedacht worden. Man habe daher „keinen Anlass“ gesehen, die Sache weiter zu verfolgen und etwa die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Natürlich lege ihr Ressort „größten Wert auf die Einhaltung entsprechender gesetzlicher Regelungen“, beschied die Ministerin die daran zweifelnde FDP.

Fragwürdiger Trick mit dem „Vertrauensschutz“

Von einem Erwartungsdruck auf die Hochschulleitung, der auch in der Mail von Monika S. deutlich wird, ist in der Antwort mit keiner Silbe die Rede. Auch in einem weiteren zentralen Punkt ist die Auskunft zumindest fragwürdig, wenn nicht falsch: Nach StZ-Informationen betrachtete die Hochschule keineswegs alle 17 Fälle als „geheilt“, sondern nur vier; die anderen 13 Professoren behielten ihre – weiterhin rechtswidrigen – Zulagen nur auf Grundlage eines „Vertrauensschutzes“. Diesen Trick hatte die Ministerialrätin aus dem Finanzressort ebenfalls äußerst kritisch kommentiert: er komme nur „in Ausnahmefällen“ in Frage, das Interesse der Betroffenen müsse mit dem öffentlichen Interesse abgewogen werden.

Für die FDP dürfte das reichlich Anlass zum Nachhaken geben. Bauers Stellungnahme sei „überaus dürftig“, rügt der Abgeordnete Friedrich Bullinger. Anstatt die Fragen Punkt für Punkt zu beantworten, fasse sie mehrere pauschal zusammen: „Das ist ein unwürdiges Verhalten der Regierung gegenüber dem Parlament.“ Solange die Ministerin die Aufklärung weiter „verschleppe“, prophezeit Bullinger, werde an der „Kaderschmiede“ für den Verwaltungsnachwuchs keine Ruhe einkehren. Inzwischen beschäftigen sich auch zwei weitere Institutionen mit der Hochschule: der Rechnungshof und der Datenschutzbeauftragte. Auch die Karlsruher Kontrollbehörde wollte man lange aus dem Spiel lassen. Inzwischen hat Bauer eine Kehrtwende vollzogen und sie ausdrücklich zur Prüfung ermuntert. Man habe das Ministerium „um einen aktuellen Sachstandsbericht gebeten“, sagt ein Sprecher. Welche Sachverhalte sich die Prüfer näher anschauen – die Zulagen, fragwürdige Auftragsvergaben beim Rechenzentrum oder anderes – wird vorerst nicht verraten.

Rechnungshof und Datenschützer prüfen

Der Datenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil hat auf einen StZ-Bericht über die desolaten Zustände am Rechenzentrum – eine weitere schwere Erblast des alten Rektorats – umgehend reagiert. Aufgeschreckt über Hinweise auf mögliche Datenschutzverstöße habe er die Hochschule „noch am gleichen Tag“ um eine Stellungnahme gebeten. Er wolle insbesondere wissen, inwieweit mögliche Missstände durch die Zusammenlegung mit dem Rechenzentrum der PH Ludwigsburg abgestellt worden seien. Die Frist laufe bis Ende Januar, eine Antwort stehe noch aus. Zudem habe er sich, so Klingbeil, „einen Kontrollbesuch vorbehalten“.