Die Nachfrage steigt und es wird immer mehr Olivenöl hergestellt. Doch der Boom hat einen Nachteil: Es entstehen Millionen Tonnen Abfälle im Jahr. Stuttgarter Forscher wollen die Reststoffe verwerten.

Stuttgart - Olivenöl ist lecker und gesund – und wird weltweit in zunehmender Menge nachgefragt. „Mehr als zwei Millionen Tonnen Olivenöl werden jährlich in Europa produziert“, sagt Dieter Bryniok. Das wichtigste Produktionsland ist Spanien, gefolgt von Italien und Griechenland. Leider bringt der Olivenölboom erhebliche Nachteile für die Umwelt mit sich, denn es entstehen Abfälle in großer Menge; im Mittelmeerraum sind es mehr als 30 Millionen Tonnen im Jahr: Pressrückstände, Waschwasser und Olivenblätter.

 

„Die Abfälle belasten die Umwelt, da sie Polyphenole enthalten“, sagt Bryniok, der am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart arbeitet. Polyphenole sind natürliche aromatische Verbindungen. In normalen Mengen sind sie gesundheitsfördernd, wirken entzündungshemmend und krebsvorbeugend. In sehr hohen Konzentrationen sind sie jedoch schädlich. „Vor allem in Italien und Griechenland ist die Entsorgung unbefriedigend gelöst“, berichtet der Wissenschaftler. Dort würden die flüssigen Reststoffe häufig in Lagunen, und Seen geleitet und das Grundwasser verschmutzen: „Die Gewässer verfärben sich schwarz, sterben ab und stinken, denn Oliven enthalten Schwefelverbindungen“.

Deshalb fordern die EU-Mitgliedsländer die Umsetzung der Abfallrahmen- und Abwasserrichtlinien. Sie sollen das Grundwasser schützen; es drohen Betriebsschließungen. „Seit über 50 Jahren wird nach einer flächendeckenden Lösung für die industrielle Praxis gesucht“, sagt Bryniok. Bisher sei jedoch kein günstiges und umweltgerechtes Verfahren gefunden worden. Deshalb untersuchte das IGB gemeinsam mit neun europäischen Partnern, wie sich die Reste nutzen lassen. „Die Idee war, die Abfallentsorgung mit einer Wertschöpfung zu verbinden“, sagt Bryniok, denn die Abwasserreinigung sei aufwendig und teuer. Durch Einnahmen aus der energetischen Verwertung der Biomasse und dem Verkauf von Wertstoffen könnte sich die Abfallverwertung sogar lohnen: Die Polyphenole könnten als natürliche Antioxidantien in der Kosmetik- oder Lebensmittelindustrie genutzt werden, die Restbiomasse als Biogas für Energie sorgen und die Gärreste als Dünger den Boden bereichern.

Die Forscher haben es mit unterschiedlichen Abfällen zu tun

„Wir haben geschaut, ob das möglich ist“, erklärt Bryniok. Dazu untersuchte das IGB eine Vielzahl fester und flüssiger Abfälle, die in der Olivenölproduktion der drei Hauptanbauländer anfielen. Denn das Klima, die Bodenbeschaffenheit, die Olivenart, ihr Reifegrat und vor allem das Herstellungsverfahren haben einen Einfluss auf die Biogasausbeute. „Je nach Produktionsverfahren unterscheiden sich die Reststoffe deutlich“, sagt der Experte. So werden bei der traditionellen Pressung die Oliven mit riesigen Steinen zu Brei gemahlen und anschließend hydraulisch gepresst. Übrig bleiben ein relativ fester Presskuchen, Fruchtwasser und Olivenöl. Aus dem Wasser-Öl-Gemisch wird das Speiseöl durch Zentrifugieren gewonnen. Dieses Verfahren ist oft in Griechenland und Italien zu finden. Bei der industriellen Ölgewinnung hingegen werden die Oliven von einem schnell rotierenden Schwingrad zu Brei zerkleinert und mit Wasser aufgeschlemmt. Danach wird der wässrige Brei über einen sogenannten Dekanter geschickt, der die Stoffe trennt. Je nach Funktionsweise des Dekanters bleibt ein dickflüssiger Brei und Abwasser oder ein sehr dünnflüssiger Schlamm übrig.

Um ihre Ergiebigkeit der verschiedenen Reststoffe zu testen, wurden sie nach einem am IGB entwickelten Verfahren vergoren. Dabei wandeln verschiedene Mikroorganismen die organischen Kohlenstoffverbindungen ohne Sauerstoff zu Biogas um. „Die Abfälle aus der Olivenölproduktion sind eine besondere Herausforderung“, räumt Bryniok ein. Das liege an der hohen Belastung durch organische Verbindungen, dem starken Schwefel- und Kaliumgehalt und dem niedrigen Anteil an Stickstoff. Doch es zeigte sich: „Die flüssigen und auch die festen Reststoffe lieferten wertvolle Energie und auch die Abfallmenge verringerte sich erheblich.“

Der größte Teil der abbaubaren Verbindungen wurde in Biogas verwandelt. Die Verweilzeit im Reaktor lag dabei nur zwischen 20 und 30 Tagen. Die besten Ergebnisse brachten griechische Schlämme aus traditionellen Ölmühlen. „Hier reduzierte sich der Anteil organischer Verbindungen um 90 Prozent“, freut sich der Projektleiter. Auch bei anderen Abfällen erhielten die Forscher mehr Biogas als bei Maissilage in einer konventionellen Biogasanlage.

Nun suchen die Forscher Partner für eine erste Anlage

Der Methangehalt im Biogas lag bei festen Abfällen zwischen 40 und 70 Prozent und bei den Flüssigabfällen bei mehr 60 Prozent. Der beste Schlamm erzielte 3600 Kilowattstunden pro Tonne Feststoff und das ertragreichste Abwasser 540 Kilowattstunden pro Tonne. „Aus unserer Sicht könnte die Vergärung dieser Reststoffe einen spürbaren und nachhaltigen Beitrag zu einer dezentralen Energieversorgung leisten“, sagt Bryniok.

Weil die Olivenölproduktion ein Saisongeschäft ist, untersuchten die Forscher zudem noch die Lagerfähigkeit der Abfälle und die Beigabe von anderen Substraten. Sie gaben den Olivenresten Rindergülle und Molkereiabwasser hinzu. „Die Mischungen lieferten noch bessere Ergebnisse als die Einzelsubstrate“, resümiert der Forscher – und auch die Lagerung der Schlämme sei kein Problem. Zudem lässt sich aus den Gärresten ein stabiler und lagerfähiger Dünger machen.

„Derzeit suchen wir nach Folgeprojekten und Partnern“, sagt Bryniok. Handlungsbedarf sieht er vor allem in Italien und Griechenland, und aus beiden Ländern gebe es Anfragen. Doch die finanziellen Spielräume seien dort nicht groß. „Wenn im Mittelmeerraum erst einmal eine Anlage steht, wird das Schule machen“, ist sich der Forscher sicher, „bis dahin müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten“.

Olivenöl: Ernte und Umweltbelastung

Ernte
Laut Deutscher Bundesstiftung Umwelt werden in der EU jährlich mehr als zwölf Millionen Tonnen Oliven geerntet. Die Branche freut über jährliche Wachstumsraten von etwa vier Prozent. Die erhöhte Nachfrage führt nicht nur zu mehr Abfällen, sondern auch zu einer zunehmenden Intensivierung der Produktion.

Konkurrenz
Grob unterschieden werden traditionelle und moderne Methoden: Bei traditionellen Verfahren, meist in hügeligen Gebieten, wird nicht bewässert. Da sie arbeitsintensiv und weniger mechanisiert sind, sind die Produktionskosten höher als bei modernen Verfahren. Zudem werden die Subventionsgelder der EU für die Olivenbauern nach der Produktionsmenge und nicht nach der Anzahl der Bäume verteilt. Immer weniger Kleinbauern können aufgrund der billigen Großproduktion von der traditionellen Ölherstellung leben.

Umweltbelastung
Je nach Produktionsverfahren werden pro Tonne Olivenöl eineinhalb bis zwei Tonnen Abwasser erzeugt. Ein Teil der Plantagen wird künstlich bewässert. Durch den hohen Wasserverbrauch ist die Bodenerosion ein großes Problem. Während der traditionelle Olivenanbau die Stabilität des Bodens fördert und die Erosionsgefahr verringert, bewirkt die intensive Bewirtschaftung das Gegenteil. Da geschädigte Böden Nährstoffe nur schlecht aufnehmen, werden große Mengen an Spritz- und Düngemittel eingesetzt.