Am Samstagabend verwandelten Red City Radio den Stuttgarter Kellerklub in eine Punk Rock-Party. Wie eine Naturgewalt rollte die Band aus Oklahoma über den Club - und sorgte dafür, dass man sie fast nicht mehr gehen ließ. 

Stuttgart - Oklahoma? Nicht gerade der Nabel des Punkrock-Kosmos. Irgendwo zwischen endlosen Prärie-Weiten und stoppeligen Weizenfeldern aber kommt sie her, diese Band, die den anderen zeigt, wie der Punk-Hase läuft: Red City Radio. Aus Oklahoma City, genauer gesagt – und am Samstagabend war sie im Stuttgarter Kellerklub.

 

Pünktlich um halb neun haben allerdings erst mal Pears losgelegt. Der schnelle, unbarmherzige Punk der etwas härteren Gangart sorgt dafür, dass zwei der vier Jungs aus New Orleans bald mit freiem Oberkörper auf der Bühne stehen. Ihr recht kurzes Set bleibt dann aber eher durch den exzentrischen Auftritt ihres Sängers Zach Quinn als durch bahnbrechende musikalische Leistungen in Erinnerung. Seine Mimik ist schauspielwürdig; eindringlich starrt er das Publikum an, verzerrte Gesichtszüge inklusive. An seinem Ohrläppchen baumelt fröhlich ein goldener Ohrring. Der Sänger macht sich nichts draus, dass das Publikum im (zu diesem Zeitpunkt) mäßig gefüllten Kellerklub zögerlichen Abstand vor der Bühne hält – beim letzten Song füllt er diesen Platz einfach selbst, indem er sich kurzerhand dort hinlegt und vom Boden aus die letzten Songzeilen haucht.

Glitzergitarren und großartige Platten

Dann legen Red City Radio los, und die Band um den kräftigen Sänger Garrett Dale fegt über das Publikum hinweg wie ein Punk Rock-Wirbelsturm. Wie eine Druckwelle gehen Songs wie „Joy Comes With The Morning“ durch den Raum, und es dauert nicht lange, bis die Punk Rock-Party in vollem Gange ist. Alte Klassiker und neuere Songs, die ein wenig harmloser daherkommen, weil sie ein wenig an Ecken und Kanten eingebüßt haben, kommen live noch energetischer rüber als auf Platte; Dale schmettert die Songs mit Raubeinstimme und Herzblut. Das Publikum reckt der Band ihre Hände entgegen und feiert die Songs ekstatisch. Von Dales Signature-Hut tropfen die ersten Schweißperlen, bis es ihm bald aus allen Poren kommt. Dann macht man ein paar Scherze, vor allem auf eigene Kosten: Dale muss sich für seine Glitzergitarre aufziehen lassen, und dann kündigt man noch eine neue EP an, die man im Gepäck hat: "Spoiler: It's great!" Red City Radio nehmen sich selbst nicht so ernst, und das ist ziemlich sympathisch. 

Letzter Song? Nicht mit uns!

Nach einem gefühlten Fingerschnipp verabschiedet sich die Band auch schon wieder von der Bühne. Man lässt sich anschließend nicht lange bitten und kommt mit dem Versprechen von zwei Zugaben zurück. Die erste, der Opener vom Über-Album „The Dangers of Standing Still“ – „An Introduction of Sorts“ – sorgt für Euphorie im Publikum. Allerspätestens jetzt gibt es für jeden mit einem Gefühl für Rhythmus kein Halten mehr. Es folgt „50th and Western“ vom selben Album, ebenfalls ein mitgröhlsicherer Klassiker. Der ganze Raum scheint Sänger Dale den Text entgegenzuschleudern.

Dann verlassen die vier Musiker erneut die Bühne – danke, danke, Stuttgart, schön war’s. Bis bald dann. Nur: Das Publikum sieht das anders. Man will die Band einfach noch nicht gehen lassen. Man erlebt es nicht alle Tage, dass auch nach der Zugabe noch lauthals „one more song“ gefordert wird. Die Stuttgarter Fans geben sich nicht zufrieden, und schließlich hat Sänger Dale ein Erbarmen und tritt wieder ans Mikro. Er setzt an, und singt – „You’ve Lost That Loving Feeling“, eine schreckliche Schnulze der Righteous Brothers. Kurz wird er dafür ausgebuht, dann scheint man sich im Publikum zu denken: Scheiß drauf, Hauptsache er singt. Selbst damit wird man die Stuttgarter Fans nicht los: Als Dale von der Bühne verschwindet – jetzt aber wirklich! – ertönen die „one more song“-Rufe von Neuem und lauter als zuvor. Man sieht, wie sich die Band neben der Bühne bespricht, und schließlich treten sie noch einmal ans Mikro – aber nur, um sich zu entschuldigen, dass man nun leider wirklich nichts mehr spielen könne – hier sei nun Dance Party! Das findet das Publikum selbstredend empörend. Die Buhrufe verstummen erst, als die Band mit offenen Armen auf ihre Fans zugeht und sie mit Umarmungen zu besänftigen versucht. Am Ende haben sich dann alle wieder lieb. Nur ein paar Songs, die hätten sie schon noch spielen können.