Im Verfahren um den tödlichen Streit zweier Straßenbanden plädieren nun die Rechtsanwälte der Angeklagten. Die Verteidiger verwehren sich gegen eine pauschale Schuldzuweisung.

Stuttgart - Die Spanne könnte größer nicht sein: Nachdem der Staatsanwalt vor einer Woche lebenslange Haftstrafen für alle acht Angeklagten im Red-Legion-Prozess gefordert hatte, plädierten die ersten Verteidiger jetzt darauf, dass ihre Mandanten das Landgericht als freie Männer verlassen sollen. Sie sehen keinen gemeinsamen Tatplan und fordern Haftstrafen, die mit der langen Untersuchungshaft bereits verbüßt seien. Sogar ein Freispruch steht im Raum.

 

Jeder Angeklagte hat zwei Anwälte

Die Staatsanwaltschaft wirft den acht Angeklagten im Alter von 23 bis 28 Jahren gemeinschaftlichen Mord, zweifachen versuchten Mord und siebenfache gefährliche Körperverletzung vor. Als Mitglieder der mittlerweile verbotenen Straßengang Red Legion sollen sie kurz vor Weihnachten 2012 in einer rund 20 Mann starken Gruppe zehn Black Jackets in Esslingen in einen Hinterhalt gelockt haben, um ihnen eine Abreibung zu verpassen. Aus einer Bar hätten sie die Männer ins Freie geholt und seien dort aus allen Richtungen auf sie losgegangen. Ein 22-Jähriger wurde mit dem Messer so schwer verletzt, dass er starb. Sein jüngerer Bruder trug lebensgefährliche Stiche davon. Auch weitere Männer wurden durch Stiche, Hiebe und Tritte zum Teil schwer verletzt. Der Grund seien Revierstreitigkeiten gewesen. Wer den tödlichen Stich setzte, ist bis heute unklar.Jeder der acht Angeklagten hat zwei Rechtsanwälte, bislang sind etwas mehr als die Hälfte der Plädoyers gehalten. Die Verteidiger wehren sich gegen die pauschale Schuldzuweisung der Staatsanwaltschaft. Es könne keineswegs von einem gemeinsamen Tatplan ihrer Mandanten ausgegangen werden, sagen sie unisono. Die Männer seien zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Richtungen zu der Shisha-Bar gekommen, für eine Absprache sei gar keine Zeit gewesen. Es handele sich bei den Messerstichen um Exzesse Einzelner und nicht um einen geplanten Racheakt.

Rechtsanwalt spricht von einseitigen Ermittlungen

Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten den Tod ihrer Gegner bewusst in Kauf genommen hätten, so die Rechtsanwälte. Bei keinem sei belegt, dass er selbst zugestochen habe. Und dass sie einen Messereinsatz beobachtet hätten, sei ihnen auch nicht nachzuweisen. „Es reicht schon, wenn jemand im entscheidenden Moment woanders hingeschaut hat“, sagte ein Anwalt. Zum Teil hätten die Angeklagten so gestanden, dass es ihnen gar nicht möglich gewesen sei, den ersten Messerstich gegen den Ex-Präsidenten der Black Jackets zu sehen, der laut Anklage das Angriffssignal gewesen sein soll.

Ein Rechtsanwalt machte deutlich, dass der Druck der Öffentlichkeit in diesem Fall groß sei und dass schon früh „härteste Strafen“ gefordert wurden. Die Ermittlungen seien entsprechend einseitig gewesen.

Geht es nach den Verteidigern, dürften ihre Mandanten bestenfalls wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilt werden. Die Rechtsanwälte forderten Strafen, die mit der langen Untersuchungshaft von mittlerweile 21 Monaten bereits abgegolten seien, und verlangten die Aufhebung des Haftbefehls. Die Verteidiger eines Angeklagten plädierten sogar auf Freispruch. Ihr Mandant sei mit einer Einkaufstüte am Geschehen vorbeigegangen, ihm sei kein Tatbetrag nachzuweisen. Zwar habe ihn der Bruder des Toten als Angreifer benannt, doch dessen Aussage sei aus mehreren Gründen nicht belastbar. Der Staatsanwalt geht davon aus, dass die Angeklagten ihre Tat abgesprochen haben. Die Vorgehensweise lasse keine andere Schlussfolgerung zu, sagte er. „Die Angreifer wollten den Black Jackets mit einem fulminanten Schlag einen Denkzettel verpassen, damit sie sich nicht wieder nach Esslingen trauen.“ Für Mittwoch sind weitere Plädoyers geplant. Mit einem Urteil wird nicht vor Oktober gerechnet. Parallel laufen noch zwei weitere Verfahren. Insgesamt sind 18 Männer angeklagt.