Vor dem Referendum über die Unabhängigkeit nutzen die Zeitungen und Fernsehsender ihren Einfluss. Die meisten empfehlen ihrem Publikum den Verbleib im Vereinigten Königreich. Die Blogger sind aber ganz anderer Meinung.

Stuttgart - Kaum waren die letzten Worte des großen Duells zwischen dem schottischen Regierungschef Alex Salmond und Ex-Finanzminister Alastair Darling verklungen, schlug beim schottischen Sender STV die Stunde der Kommentatoren. Der Anchorman hatte sein Urteil schon gefällt: „Die Ja-Kampagne hat eine Chance verpasst, das Ruder zu wenden.“ Fünf angeblich unentschiedene Wähler, die das Duell nebenan gesehen hatten, bestätigen das demonstrativ, eine politische Analystin wiederholt die Botschaft: „Alex Salmond hat die Debatte verloren.“

 

Diese Szene mag nur ein Blitzlicht des großen, medialen Gewitters sein, das derzeit zwischen Edinburgh und Inverness tobt. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Sonderseiten, Extrasendungen oder Analysen über das Unabhängigkeits-Referendum erscheinen. „Man könnte meinen, es gäbe kein anderes Thema mehr“, schreibt Ian Jack, ein Kolumnist der linksliberalen Zeitung „The Guardian“. Doch nicht nur die Frage, wie stark die Medien das Thema vorantreiben, wird heftig diskutiert – sondern auch in welche Richtung sie steuern.

Im Mittelpunkt stehen dabei die beiden wichtigsten Sender, die BBC und STV, ein schottischer Ableger des größten Privatsenders ITV. Nun gibt es eine lange Tradition auf der Insel, der BBC Parteilichkeit zu unterstellen – das ist auch in dieser Kampagne nicht anders. Im Juni protestierten sogar 2000 Bürger vor der BBC-Zentrale in Glasgow gegen die angeblich einseitige Berichterstattung.

Die BBC musste zurückrudern

Eine Studie der University of West Scotland nährt diese Kritik. Der Professor John Robertson hat ein Jahr lang 730 Stunden Nachrichtensendungen analysiert, und kommt zu dem Schluss: „Die Anhänger der Unabhängigkeit werden klar benachteiligt.“ 272 Statements dagegen und 171 dafür hat er gezählt. Zudem macht er subtile Beeinflussung aus: „Berichte über das Referendum beginnen immer mit negativen Nachrichten, was im Falle einer Abspaltung passiert.“ Die BBC weist dies natürlich weit von sich, wie stets in der Vergangenheit.

Allerdings musste der Sender teilweise zurückrudern. So wurde der Vertrag des langjährigen Radiomoderators Gary Robertson nicht verlängert: Dem Sprecher des Magazins „Good Morning Scottland“ wurde vorgeworfen, er habe seine Abneigung gegenüber der Politik der Scottish National Party (SNP) von Alex Salmond zu sehr seine Moderation bestimmen lassen. Auch protestierten BBC-Mitarbeiter, die in der Journalistengewerkschaft sind, dagegen, dass der Sender Mitglied im britischen Unternehmerverband ist – der einen Werbefeldzug gegen die Abspaltung führt.

Dass Zeitungen in politischen Ausein-andersetzungen klar Position beziehen, ja so genannte „Endorsements“, also Unterstützungen für Personen oder Themen verkünden, hat im angelsächsischen Raum ohnehin Tradition. Als einziges wichtiges Blatt hat sich die Sonntagsausgabe des „Herald“ in Glasgow für die „Yes to Scotland“-Kampagne von Salmond positioniert – das Mutterblatt „The Herald“, das unter der Woche erscheint, trägt dies jedoch nicht mit. Die mit 47 000 Exemplaren eine der wichtigsten Zeitungen hat zwar keine offizielle Wahlempfehlung ausgesprochen – doch in den Leitartikeln wird ihre Linie klar. „Wir müssen jetzt mehr über die Pläne für ein Schottland ohne das Pfund wissen“, fordert etwa die Kommentatorin Catherine McLeod – und reiht sich damit ein in den Chor der Nein-Kampagne, die die Sorge um die Währungsunion zum wichtigsten Wahlkampfthema gemacht habt.

Murdochs Blätter sind wichtig

Ähnlich sieht es bei der wichtigsten Tageszeitung in der Hauptstadt Edinburgh aus, „The Scotsman“ mit 28 000 Lesern. Allerdings fällt auf, dass hier den Stimmen für ein eigenständiges Schottland mehr Raum eingeräumt wird. Etwa im Kulturressort, wo während des Fringe-Festivals in Edinburgh nach anti-englischen Bekenntnissen in Theaterstücken und Konzerten gesucht wurde – und man in der eher linken Kulturszene reichlich fündig wurde.

Wichtig ist die Haltung der konservativen Blätter des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch, der in allen Wahlkämpfen gerne Einfluss nimmt. Alleine die Boulevardzeitung „The Sun“ hat nördlich der englisch-schottischen Grenze 300 000 Leser. Sie ist damit die Gazette, die am meisten verbreitet ist.

Rupert Murdoch galt in den vergangenen Jahren als ausgesprochener Freund von Alex Salmond, und unterstützte ihn auch bei seinem Wahlsieg 2011. Dabei gewann seine SNP die absolute Mehrheit, und konnte das Referendum überhaupt erst auf den Weg bringen. Murdoch lud den schottischen Regierungschef mehrfach zu sich ein, und ließ in Twitter-Meldungen Sympathie für seine Ziele erkennen.

Offensive Kampagne

Doch zu Beginn des Wahlkampfes entzog Rupert Murdoch wieder dem Regierungschef seine Gunst. Seither führt die „Sun“ eine offensive Kampagne. So wurde Alex Salmond wochenlang auf den Titelseiten als „EU-Lügner“ bezeichnet und mit unvorteilhaften Bildern abgelichtet – weil er in einem BBC-Interview ausweichend zur Frage der EU-Mitgliedschaft geantwortet hatte. Die „Scottish Daily Mail“ hat ihren Lesern ebenso klar empfohlen, am 18. September mit Nein zu stimmen.

Das mediale Establishment hat also eine klare Haltung. Bleiben den Anhängern der Yes-Kampagne nur die sozialen Netzwerke, Blogs und Online-Portale wo sie weit überwiegend die Debatte dominieren. Die Facebook-Gruppe „Gegen Parteilichkeit der BBC zum Referendum“ etwa hat bereits 6500 Mitglieder, Tendenz steigend.