Der Bund will künftig bei großen Familienunternehmen nur noch das betriebsnotwendige Vermögen verschonen. Was darunter zu verstehen ist, dürfte für Streit sorgen. In der Union, aber auch in Ländern und bei Verbänden wird Kritik laut.

Berlin - Die Bundesregierung rechnet damit, dass in Zukunft das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer steigt. Firmenerben sollen künftig mehr Steuern zahlen. Das Finanzministerium betonte, dies ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mit seinen Vorschlägen verhindern, dass die Karlsruher Richter ein weiteres Mal das Erbschaftsteuerrecht kassieren. In der Koalition, aber auch in den Ländern und den Verbänden stoßen Schäubles Pläne auf Skepsis. Das Konzept im Überblick.

 

Verschonungsregeln

Die Bundesregierung will grundsätzlich an den bisherigen Verschonungsregeln festhalten, sie aber um weitere Punkte ergänzen. Auch künftig soll es möglich sein, dass Firmenerben die Erbschaftsteuer größtenteils oder vollständig erlassen wird. Es bleibt bei der Regelung, dass 85 Prozent der Erbschaftsteuer nachgelassen wird, wenn der Betrieb mindestens fünf Jahre fortbesteht und die Lohnsumme nach dieser Zeit 400 Prozent des Ausgangswerts beträgt. Die Steuer kann vollständig erlassen werden, wenn der Betrieb mindestens sieben Jahre fortgeführt wird und die Lohnsumme stabil bleibt. Anders als bisher soll das sogenannte Verwaltungsvermögen, das etwa aus Grundstücken, Kapitalbeteiligungen unter 25 Prozent und Bargeld besteht, nur zum kleinen Teil begünstigt werden.

Kleinbetriebe

Da die meisten Unternehmen in Deutschland kleine und mittlere Betriebe sind, ist für sie die Bagatellgrenze entscheidend. Bisher sind Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern vom Nachweis der Lohnsumme befreit. Dies wurde vom Verfassungsgericht beanstandet. Wie in Regierungskreisen bestätigt wurde, will das Finanzministerium die Bagatellgrenze nicht mehr an der Zahl der Mitarbeiter festmachen, sondern am Wert des vererbten Betriebs. Ist der Betrieb bis zu einer Million Euro wert, soll künftig auf den Nachweis der Lohnsumme verzichtet werden. Das würde allerdings bedeuten, dass in vielen Fällen Unternehmensbewertungen vorgelegt werden müssen. Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) plädiert deshalb dafür, die Grenze bei fünf Mitarbeitern zu ziehen.

Betriebsvermögen

Betriebsvermögen

Die Regierung will Betriebsvermögen neu abgrenzen. Um den Bedenken der Verfassungsrichter Rechnung zu tragen, wonach beim geltenden Recht auch betriebsfremde Vermögensteile verschont werden, soll es eine neue Definition geben. Begünstigt wird künftig nur noch das Betriebsvermögen, das für die Tätigkeit des Unternehmens notwendig ist. Begünstigtes Betriebsvermögen muss somit dem Hauptzwecks des Unternehmens dienen. Wie es in Regierungskreisen hieß, ist das der Fall, wenn Betriebsvermögen wie beispielsweise Grundstücke und Fahrzeuge zu mindestens 50 Prozent betrieblich genutzt werden. Liegt die betriebliche Nutzung beispielsweise bei 49 Prozent, wird dieser Teil steuerlich nicht begünstigt. Diese Abgrenzung dürfte in der Praxis Schwierigkeiten bereiten. Um ungerechtfertigte Nachteile zu vermeiden, soll es zum begünstigten Vermögen pauschal einen Aufschlag von zehn Prozent geben. Auf diese Weise wird das gesamte Betriebsvermögen ermittelt, für das eine Verschonung nach den geltenden Regeln beantragt werden kann. Mit Schäubles Plänen wird das Erbschaftsteuerrecht komplizierter.

Großunternehmen

Die politische Auseinandersetzung konzentriert sich auf die Frage, wie der Gesetzgeber mit den großen Familienunternehmen umgeht, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Die Regierung will darauf achten, dass mit den neuen Steuerregeln Arbeitsplätze gesichert werden. Die Wirtschaftsverbände befürchten aber zusätzliche Belastungen. Die vom Verfassungsgericht geforderte Bedürfnisprüfung soll nach Meinung der Regierung bei 20 Millionen Euro je Erwerb ansetzen. Einige Länder fordern einen höheren Schwellenwert. Die Regierung will die Freigrenze von 20 Millionen Euro jedem Erben zubilligen. Ist das Unternehmen beispielsweise 100 Millionen Euro wert und es gibt fünf Erben, wird auf eine Bedürfnisprüfung verzichtet. Berlin warnt vor großzügigeren Regelungen, da diese nicht verfassungsfest seien. Beim Vererben und Schenken von Betriebsvermögen lägen in 98 Prozent der Fälle die Werte unter 20 Millionen Euro, argumentiert das Finanzressort.

Bedürfnisprüfung

Ist der Schwellenwert von 20 Millionen Euro überschritten, findet eine Bedürfnisprüfung statt. Bei diesem Verfahren soll betriebsnotwendiges Vermögen nicht angetastet werden. Konkret heißt das: Die Finanzbehörden untersuchen bei großen Familienunternehmen, welches Privatvermögen zur Verfügung steht. Zum Privatvermögen zählt nach diesem Modell das gesamte nicht-betriebsnotwendige Vermögen im Besitz des Erben. Für die betriebliche Erbschaftsteuer soll das Privatvermögen zur Hälfte herangezogen werden. Ein Beispiel: Geht auf einen Firmenerben ein Unternehmen im Wert von einer Milliarde Euro über, fällt rechnerisch eine Erbschaftsteuer von rund 300 Millionen Euro an. Im zweiten Schritt wird das Privatvermögen ermittelt. Wird festgestellt, dass der Erbe zusätzlich eine Milliarde Euro an Privatvermögen besitzt, kann maximal die Hälfte, also 500 Millionen Euro, herangezogen werden. In diesem Fall müsste der Erbe die Erbschaftsteuer von 300 Millionen Euro zahlen. Verfügt der Erbe über keinerlei privates Vermögen, wird auch keine Erbschaftsteuer fällig, sofern die Verschonungsregeln eingehalten werden.

Reaktionen

Der Vorschlag aus dem Finanzressort stößt im Wirtschaftsflügel der Union, bei Verbänden und Ländern auf Widerstand. Die Stiftung Familienunternehmen erklärte, mit den geplanten Regeln entstünden neue Hürden für die Übergabe an die nächste Generation. Ganz andere Töne kamen von der Jungen Union (JU). Der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak sagte der Stuttgarter Zeitung: „Mit Blick auf die gute Wirtschaftslage und die hohen Steuereinnahmen sollte Finanzminister Wolfgang Schäuble auf einfache Weise rechtliche Klarheit schaffen: durch eine komplette Abschaffung der Erbschaftsteuer.“ Die Erbschaftsteuer sei die Reinform einer Neidsteuer, da bereits versteuertes Vermögen nochmals besteuert würden, so Ziemiak.