Die Reform der Polizeireform schafft Verlierer. Sie bedrängen nun Regierung und Landtagsfraktionen. Die Entscheidung soll vor der Sommerpause fallen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Glücklich ist der Heidelberger Oberbürgermeister Eckart Würzner nicht von seinem Krisentermin mit Innenminister Thomas Strobl (CDU) aus Stuttgart zurückgekehrt. Wie es stehe um ein neues, eigenes Heidelberger Polizeipräsidium, wollte der parteilose Kommunalpolitiker am 12. April wissen. Die Antwort schien vage ausgefallen zu sein, denn am 20. April forderte Würzner seine Gemeinderäte schriftlich dazu auf, „mich bei meiner Forderung nach einem eigenen Präsidium für Heidelberg zu unterstützen“. Begründung: Entgegen dem Landestrend sei 2016 die Zahl der Straftaten in Heidelberg auf ein Zehn-Jahres-Hoch gestiegen – von 74 000 auf knapp 77 000 Delikte. Der Gemeinderat verabschiedete dann eine Resolution, die mehr Polizeibeamte in Stadt und Region fordert.

 

Die Landesregierung ist aktuell nicht nur mit geplatzten Hoffnungen konfrontiert, die sich mit den Runderneuerungsplänen verbinden. Protest kommt auch von den vermeintlich größten Verlierern der CDU-Pläne: den Tuttlingern, die ihr vor drei Jahren glorios erlangtes Präsidium nun wieder verlieren sollen – zugunsten eines neu zu schaffenden Präsidiums „Oberschwaben“ mit Sitz in Ravensburg. Am Mittwoch ist der parteilose Landrat Stefan Bär Seite an Seite mit dem Oberbürgermeister Michael Beck (CDU) zur Intervention ins Innenministerium und den Landtag gereist. Die Absicht: der Staatssekretär im Innenministerium, Martin Jäger, der Fraktionsvorsitzende der Grünen Andreas Schwarz sowie deren innenpolitischer Sprecher Uli Sckerl sollten von der „polizeifachlichen“ Notwendigkeit überzeugt werden, Tuttlingen zu erhalten. Das Präsidium liege viel zentraler als Konstanz, biete „kurze und schnelle Wege“, argumentierten die Kommunalpolitiker. „Von beiden Seiten wurde uns ausdrücklich bestätigt, dass die Standortfrage noch offen ist“, resümierte der Landrat nach der Heimkehr.

Ein CDU-Landrat setzt auf die Grünen

Wirklich? Bei der Vorstellung des Evaluationsberichts Ende März hat der Minister Strobl deutlich gemacht, dass ihm der Ratschlag der Fachleute mehr gilt als kommunales Proporzdenken. Die Expertenkommmission hat sich klar für eine polizeiliche Landkarte mit künftig 14 statt zwölf Präsidien ausgesprochen. Strobl will einen Kabinettsbeschluss noch vor der Sommerpause. Aktuell läuft die Meinungsbildung, auch in den Landtagsfraktionen. Natürlich geht es auch um zusätzliche Millionen für Liegenschaften und 120 Stabstellen. Ausgerechnet der Heidenheimer CDU-Landrat Thomas Reinhardt setzt nun auf das Veto der grünen Finanzministerin Edith Sitzmann. „Ich hoffe ein bisschen auf den grünen Koalitionspartner“, sagt Reinhardt, denn: „Ich gehe in dieser Sache mit der CDU-Landtagsfraktion nicht d’accord.“

Im Zuge der Neuordnung der Präsidien soll der Kreis Heidenheim dem Präsidium Aalen zugeschlagen werden. Vor drei Jahren waren die Heidenheimer zu Ulm gekommen. „Wir haben seither ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut“, sagt der Landrat. Die Polizeibeamten, die er gesprochen habe, seien zufrieden. Der nun geplante Wechsel habe keinen Sachgrund. „Wir sind Spielball“, schimpft Reinhardt. „Und verdammt noch mal, ich habe keine Lust, Spielball zu sein.“ Etwas gemäßigter hat das der Landrat bereits am 3. April dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann sowie dem Innenminister Strobl geschrieben. Seither „herrscht Schweigen im Walde“, sagt Reinhardt. Aber er ist überzeugt: „Wer sich jetzt nicht lautstark meldet, wird nicht mehr gehört.“

Die Generalstaatsanwaltschaften geben sich zugeknöpft

Gemischte Reaktionen auf die Reformänderungspläne kommen auch aus der Justiz. Speziell die Staatsanwaltschaften im Land haben ein hohes Interesse, dass ihre Ermittlungsaufträge an die Polizeidienststellen bei Strafverfahren zügig und effektiv bearbeitet werden. Dass man sich in den Behördenapparaten kennt, womöglich vertraut, ist dabei kein Nachteil. Der Karlsruher Generalstaatsanwalt Uwe Schlosser will auf Anfrage keine Meinung zu den Reformplänen abgeben, teilt aber mit, die Evaluation werde „begrüßt“. Gute Polizeiarbeit brauche „örtliche Nähe der Dienststelle zum Geschehnisort“, ebenso wie „Spezialkenntnisse“, so Schlosser sehr allgemein.

Mit vielsagendem Schweigen reagierte der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen auf eine gleichlautende Anfrage. Wie bei vielen Behördenchefs gedacht wird, darauf wies Anfang März der Leiter der Staatsanwaltschaft Rottweil, Joachim Dittrich anlässlich der Einsetzung des Tuttlinger Polizeipräsidenten Gerhard Regele hin. Die Polizei müsse sich verbessern, so Dittrich, „aber es besteht keine Notwendigkeit, an der räumlichen Zuordnung irgendetwas zu ändern“. Gefragt sei „Kontinuität“. Ausdrücklich betonte Dittrich, er spreche da auch für weitere Amtskollegen.