Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat eine EU-Reform vorgeschlagen: Die EU-Kommission soll aufgesplittet werden – und damit politischen Einfluss verlieren. Das riecht nach Machtkampf.

Berlin/Brüssel - Nach der Krise ist vor der Reform. So sieht es Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der Konsequenzen aus den Erschütterungen fordert, die mit der Finanz- und Schuldenkrise der vergangenen Jahre in der Euro-Zone einher gingen. Jetzt ist bekannt geworden, dass Schäuble am Rande einer Sitzung der EU-Finanzminister am 14. Juli laut über die Rolle der EU-Kommission nachgedacht und deren Befugnisse in Frage gestellt hat. Der amtierenden Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dürfte dies als Kampfansage verstehen.

 

Das Finanzministerium bestreitet, dass Schäuble die Auseinandersetzung suche. Vom Versuch einer „Entmachtung der Kommission“ könne „keine Rede sein“, sagte ein Sprecher. Es sei bei diesem Treffen ganz allgemein über die langfristige Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) gesprochen worden. Schäuble habe bei dieser Gelegenheit „über den kurzfristigen Kontext hinaus auch die Rolle der Institutionen angesprochen.“ Es sei nach Ansicht des Ministers „hierbei wichtig, dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahrt“.

Nur langfristige Überlegungen?

Was beiläufig klingt, birgt Zündstoff. Schäuble stört sich dem Vernehmen nach daran, dass Juncker die Kommission politisch auflädt und weniger technokratisch positioniert. Auf Dauer passt das aus seiner Sicht nicht zu ihrer in den EU-Verträgen festgelegten Bestimmung. Die Behörde könne sich nicht dauerhaft als eine Art Europa-Regierung in Szene setzen und zugleich ihren eigentlichen Auftrag, die EU-Rechtsregeln durchzusetzen, ordentlich umsetzen. Deshalb brachte Schäuble die Idee ins Spiel, die Aufsicht über das Regelwerk in neu einzurichtende Institutionen, vergleichbar dem Bundeskartellamt auf Bundesebene, auszugliedern.

Im Ministerium wird betont, dies alles seien Überlegungen weit über den Tag hinaus, die in die allgemeine Diskussion über die Weiterentwicklung der Euro-Zone einfließen sollen. Kurzfristig sei so eine Reform ja auch gar nicht umzusetzen, weil dazu die EU-Verträge geändert werden müssten. Schäubles Umfeld will mit solchen Hinweisen offenbar den Verdacht aus der Welt räumen, dem Minister sei daran gelegen, Juncker für dessen Verhalten in der Griechenland-Krise die Rechnung auszustellen. Der Kommissionspräsident hat sich nämlich zu keinem Zeitpunkt lediglich als Teil der Troika verstanden, die nur Reformfortschritte überprüft und technische Details aushandelt.

Die Kommission denkt nicht daran, Macht abzugeben

Mehrfach verhandelte Juncker direkt mit dem griechischen Ministerpräsidenten, Alexis Tsipras. Als Junckers Stabschef griechische Reformvorschläge lobte, schimpfte Schäuble über die Äußerungen „unautorisierter Personen“. Nur die Eurogruppe als Kreditgeber sei verhandlungsbefugt, stellte der Finanzminister klar.

In Brüssel nimmt man Schäuble offiziell ab, dass er seine Vorschläge als Beitrag für eine stärkere EU gemeint hat. Eine Kommissionssprecherin sagte, Juncker kenne Schäuble seit Jahrzehnten und halte ihn „für einen der überzeugtesten und überzeugendsten Europäer“, dessen viele Ideen er „mit wohlgesinntem Interesse“ verfolge. Was die Sprecherin nicht direkt sagte, jedoch deutlich durchblicken ließ: Die Kommission denkt nicht daran, Macht abzugeben. Die Wettbewerbs- und Binnenmarktaufsicht sind jene Bereiche, in denen sie am aktivsten ist und die größte Durchsetzungskraft hat. Zudem rechtfertigt sie ihre stärkere politische Einmischung damit, dass Juncker der erste Präsident sei, der indirekt durch die Wähler bestimmt wurde. Der Machtkampf in Brüssel ist also noch lange nicht zu Ende.