Der kleine Regenbogenkindergarten ist in die Jahre gekommen. Als die Eltern erfahren, dass die Stadt deshalb zumindest auf dem Papier eine Schließung durchspielt, entschließen sie sich zu kämpfen.

Leinfelden - Die blaue Mappe mit dem orangen Blatt Papier auf der Vorderseite ist gut daumendick. Katharina Walters Tochter hat die Mappe bemalt, mit einem bunten Regenbogen, der sich von links nach rechts spannt, und dazu hat sie weiße Wolken ausgeschnitten und aufgeklebt. Wichtiger ist der Inhalt. Innen liegen Blatt auf Blatt die Unterschriftenlisten, die die Eltern eben jenes Kindergartens in den vergangenen zwei Wochen gesammelt haben. 1800 Stück sind es geworden.

 

Nun also liegt der Stapel vor Walter, neben ihr sitzt ihre Elternbeiratskollegin Verena Dettling. Beide sind am vergangenen Donnerstag ins Leinfelder Rathaus gekommen, um mit dem Oberbürgermeister Roland Klenk zu sprechen. Sie wollen nicht, dass ihr Kindergarten abgerissen wird. Und 1800 weitere Menschen ganz offensichtlich auch nicht.

Die Entscheidung soll erst in drei Jahren fallen

Freilich, ein Abriss oder eine Schließung stünde momentan gar nicht zur Debatte, beteuert Klenk und versucht merklich, die Befürchtungen auszuräumen. Es habe sich lediglich um Gedankenspiele gehandelt, entschieden sei noch rein gar nichts. Erst in drei Jahren, schätzt er, würde man sich eingehend mit dem Thema beschäftigen. Und da sei es auch ganz gut, dass sich die Eltern schon einmal derart engagiert und Unterschriften gesammelt hätten. „Das hat Gewicht, auch bei mir“, sagt der OB. Er kann sich jedenfalls nicht erinnern, dass in seinen 16 Jahren im Chefsessel jemals Eltern so viele Unterschriften für etwas gesammelt hätten.

Zur Wahrheit gehört aber denn auch, dass es mehr als nur Gedankenspiele sind, und die Zukunft des Regenbogenkindergartens tatsächlich offen ist. Grund dafür ist das Wohngebiet Schelmenäcker, das nebenan entwickelt wird. Dorthin sollen in den nächsten Jahren mehr als 600 Menschen ziehen. Die zu erwartenden Kinder brauchen einen großen und neuen Kindergarten, einen mit Platz für acht Gruppen und einem Preisschild von voraussichtlich 5,6 Millionen Euro.

Um den 1959 gebauten Regenbogenkindergarten, dessen Zustand die Verwaltung als kritisch einstuft, zu sanieren, müssten wohl noch einmal mehr als zwei Millionen Euro in die Hand genommen werden. Und eine Gemeinderatsvorlage aus dem vergangenen Herbst ist da ziemlich eindeutig: „Zwei neue Einrichtungen in unmittelbarer Nähe zu erstellen und zu betreiben, ist offensichtlich wirtschaftlich nicht sinnvoll.“

Nicht alles kann in Euro und Cent aufgewogen werden

Das ist die eine Seite, die Seite der Zahlen. Die andere ist die, die nicht in Euro und Cent aufgewogen werden kann. „Der Kindergarten liegt sehr schön und ist eine kleine Perle“, sagt Klenk. „Er ist wie eine Oase.“ Da spricht er den beiden Müttern natürlich aus der Seele. „Wir sind nicht gegen einen Neubau. Uns geht es um die Lage“, sagt Dettling. „Wir haben Eltern, die uns sagen, dass sie sogar ein Jahr gewartet hätten, um einen Platz bei uns zu bekommen.“ Ähnlich formuliert das auch Walter. „So eine kleine Einrichtung ist schon ein Stück heile Welt“, sagt sie.

Und eine, an die sich wohl ziemlich viele Leinfelder aus ihrer eigenen Kindheit erinnern. Kaum erklärbar ist sonst, warum so viele für den Erhalt der Einrichtung unterschrieben haben. 1500 Unterzeichner wohnen nämlich in dem Stadtteil, die anderen 300 kommen aus Echterdingen. Jeweils zur Hälfte kamen die Unterschriften ganz klassisch über ausliegende Papierformulare zusammen und auch ganz modern über die Internet-Plattform Open Petition.